Verkalkuliertes Gesamtpaket?
Standort noch bis 2029: Loibl Arberstraße. Foto: Engel
Warum, ist die Frage, geht Loibl? Loibl, 150 Mitarbeiter, ist nicht das erste Straubinger Unternehmen, das aus Straubing lieber ins Umland abwandert, nach Steinach, Niederwinkling oder wie jetzt Oberschneiding. Aber wäre denn nicht die Eglseer Breite perfekt für ein Unternehmen wie Loibl? „Ich finde es eine Katastrophe“, sagt deshalb der SPD-OB-Kandidat Peter Stranninger zu engel-sr.de, „wenn ein Traditionsunternehmen mit vielen Arbeitsplätzen, die außerdem krisenfest sind, weggeht. Ich versteh nicht, warum das im Rathaus nicht frühzeitig gesehen und agiert worden ist.“
Und in der Tat: Ein Straubinger Unternehmen auf Wachstumskurs und ein nagelneues Gewerbegebiet, zulässig auch für einen Betrieb wie Loibl, direkt an der B 20: Das klingt nicht nur perfekt, genau das war auch das Ziel. „Auch um zu verhindern“, steht in der Stadtrats-Niederschrift zum Aufstellungsbeschluss von 2019, „dass Betriebe ins regionale Umland abwandern, wird der Bedarf zur Ausweisung und zeitnahen Erschließung dieses Gewerbegebiets begründet.“ Warum also Oberschneiding? Weil dort der Hebesatz der Gewerbesteuer günstiger ist als in Straubing? Wohl kaum.
Wär das der Grund, bräuchte Straubing gar kein neues Gewerbegebiet. Die Umlandgemeinden sind beim Hebesatz immer günstiger. Auch an der Grundstücksgröße kann es nicht liegen. Loibl hat gut 50 000 Quadratmeter in Oberschneiding, in Eglsee hätte Loibl diese Größe genauso bekommen. Straubing will hier Unternehmen dieser Größe, unter 30 000 Quadratmeter verkauft Straubing gar nicht. Also warum? Hier sind ein paar Gründe, und sie passen in einen Satz: Eine Mischung aus Idealismus und Bürokratie siegt über Unternehmerdenken.
„Bitte Bewerbung ausfüllen“
„Vorbei an jeglicher Realität“, nennt ein Wirtschaftsinsider die Vorstellungen der Stadt in der Eglseer Breite. Das Gewerbegebiet will ein Vorzeigeprojekt für ganz Niederbayern sein, ökologisch, nachhaltig, sozial. Doch dieser Insider ist nicht der Einzige, der das Gelingen bezweifelt. Es beginnt damit, dass ein Unternehmen sich bewerben muss für ein Grundstück. Anderswo rufen Kommunen Halleluja, wenn ein Unternehmen Interesse zeigt, und sie fragen: „Was können wir tun, damit ihr kommt?“ In Straubing sagt man: „Hier, der Bewerbungsbogen, bitte ausfüllen; was qualifiziert euch ökologisch, sozial und nachhaltig für unser Gebiet, wir prüfen und geben Bescheid.“ Und weiter:
Im Umland liegt der Quadratmeterpreis bei 120 Euro, Straubing verlangt 180 wegen der Erschließungskosten. Anderswo findet man wichtiger, dass ein Unternehmen kommt, das langfristig Gewerbesteuer für die Kommune bringt; im Fall von Loibl dürfte das eine sechsstellige Summe sein, die künftig an Oberschneiding geht; und weil Loibl eine Firma mit Wachstum ist, dürfte diese Summe langfristig wachsen.
Zwei Treffen zwischen Loibl-Management und Vertretern der Stadt soll es gegeben haben. Nach einigem Rechnen soll die Stadt den Quadratmeterpreis reduziert haben, um rund 20 Prozent. Hier stellt sich eine Frage: Warum erst einen höheren Preis aufrufen, wenn konkurrierende Kommunen von Haus aus günstiger bieten und man letztlich auch günstiger kann? Es ist, als ob die Stadt zunächst abschrecken wollte. Damit zum Gewerbegebiet selbst: Auch das ist in sich so konzipiert, dass es größere Unternehmen nicht unbedingt attraktiv finden.
Zusatzkosten durch Auflagen
Der Bebauungsplan zum Gewerbegebiet Oberschneiding hat 24 Seiten. Der Plan für Straubings Eglseer Breite: Insgesamt 466 Seiten. „Ein grünes Wunschkonzert“ und „detailliert aufgebläht“, nennt jemand aus der Branche den Straubinger Plan im Vergleich. Die Auflagen gehen über die gesetzlichen Anforderungen deutlich hinaus. Es sind Auflagen wie die, dass Dächer und Fassaden zu je 20 Prozent begrünt werden müssen. Wer wie Loibl über 20 000 Quadratmeter Gesamtdachfläche hat und dazu eine Hallenhöhe von 15 Metern, hat damit riesige Flächen zu begrünen.
Damit entstehen Extrakosten, die bei solchen Flächen spürbar sind. Und es kommen weitere Kosten dazu: Begrünte Dächer und Fassaden brauchen regelmäßige Pflege. Auch das sind Extrakosten, die anderswo gar nicht anfallen. Die Baugrunduntersuchung zeigt außerdem, dass man hier schon gut 2,2 Meter unter der Erde am Grundwasser kratzen kann. Das ist für ein Gewerbegebiet nicht gut. Es macht erneut Extrakosten bei der Fundamentierung notwendig. Das verteuert den Bau weiter.
Damit als Fazit: Anderswo bewerben Standorte sich um Unternehmen, aber Straubing erwartet, dass Unternehmen sich um den Standort bewerben. Dazu höhere Investitionskosten durch teureren Grundstückskauf, teurere Fundamentierung, teure Fassadenbegrünung, teure Instandhaltungskosten: In einer Zeit, in der nicht nur in Straubing Firmen mit Kurzarbeit rechnen, wachsen die Zweifel, ob die Eglseer Breite wirklich zum Erfolgsgebiet taugt.
Loibl: „Es ist das Gesamtpaket“
„Ein Bewerbungsverfahren für Firmen und solche Auflagen wie hier“, kommentiert ein Kenner heute„das geht alles an der Realität vorbei. Da entstehen nur Kostenfallen im Unterhalt. Aber die Wirtschaft ist heute insgesamt unter Druck, wer will denn da teurer bauen als er muss?“ Ein Teil des Gebiets ist reserviert, unterschrieben ist derzeit aber noch nichts. Loibl zumindest hat eine Ansiedlung hier dem Vernehmen nach schnell verworfen.
„Es ist das Gesamtpaket“, hat Loibl-Mitgeschäftsführer Arnd Benninghoff bei engel-sr.de auf die Frage erklärt, was in Oberschneiding besser als in Straubing ist. An Straubings Gesamtpaket waren mehr als ein Dutzend Fachstellen und dazu die politischen Gremien beteiligt; Standort, Auflagen und Preis wurden entwickelt vom stadteigenen Kommunalunternehmen Flächenentwicklung, Bauamt, Umweltamt, Liegenschaftsamt, von Fachverbänden wie dem Bund Naturschutz und von den Fraktionen. BN und Grüne hätten dem Vernehmen nach gerne noch ökologischere Auflagen gehabt. Letztlich wurde das Ergebnis abgesegnet vom Stadtrat.
Das sind die Rahmenbedingungen, die das Amt für Wirtschaftsförderung jetzt anpreisen muss, und das ist nicht leicht, wenn Unternehmen zunehmend Kosten senken. Derzeit sieht es so aus, als hätte Straubing mit seinem Gesamtpaket sich verkalkuliert. Nur auf nachhaltig grüne Unternehmen zu hoffen, wird die finanzschwache Stadt sich kaum leisten können. Zumindest gibt es aber Hoffnung für das derzeitige Loibl-Gelände nach dem Unternehmens-Wegzug 2029. Der Münchner Grundstückseigentümer soll dem Vernehmen nach bereits eine grundsätzliche Entwicklungsidee haben und dazu schon in Kontakt mit der Stadt sein.