Straubing, nichtöffentlich
Es war ein interessanter Vorgang am Montagabend im Stadtrat. Zu Beginn fragt OB Markus Pannermayr, ob’s Anträge zur Tagesordnung gibt. Da meldet sich Jürgen Steinmetzer, Stadtrat der Grünen: Er verstehe nicht, warum der Tagesordnungspunkt 16 im nichtöffentlichen Teil behandelt werden soll. „Es geht dort“, sagt Steinmetzer, „um einen Zuschussantrag, und es geht um eine Grundsatzentscheidung. Da muss man ja gar keine Zahlen nennen.“
Wann sind Themen öffentlich, wann sind sie nichtöffentlich? Das ist ein spannendes Thema. Die Bayerische Gemeindeordnung klingt da im Grunde sehr klar. Sie sagt im Artikel 52: „Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen.“ Ist das bei einem Zuschussantrag der Fall?
Der OB reagiert abwehrend auf Steinmetzers Vorstoß: „Wir haben als Grundlage Informationen, die uns von Dritten zur Verfügung gestellt sind. Das hat zu der Einschätzung geführt, dass das nichtöffentlich behandelt werden soll.“ Das überzeugt Steinmetzer nicht. Er stellt offiziell den Antrag auf öffentliche Behandlung, er wird mit 11 zu 30 Stimmen abgelehnt. Nach der Sitzung habe ich etwas herumgeforscht. Es geht um Folgendes: Der „Dritte“, der „die Informationen zur Verfügung gestellt“ hat, ist die Angela Fraundorfer-Realschule in Aiterhofen. Sie hat den Antrag auf Zuschuss gestellt.
Es geht um öffentliches Geld
Die Schule ist eine staatlich anerkannte Privatschule mit kirchlichem Träger, eine der ältesten Realschulen Bayerns und lange Zeit eine reine Mädchenschule. Vor gut zehn Jahren hat sie sich auch für Buben geöffnet und damit ihre Schülerzahlen stabilisiert. Gut 300 sind es derzeit. Gut 20 Prozent der Schüler kommen aus Straubing. Für sie bezahlt die Stadt Gastschulbeiträge. Jetzt kommt eine Generalsanierung, rund 19 Millionen Euro, 760 000 Euro soll die Stadt dazu geben, das wären vier Prozent. Warum soll man das öffentlich nicht debattieren?
Ich weiß nicht, welche „Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit“ dazu zwingen, einen Zuschussantrag nichtöffentlich zu verhandeln. Ich weiß nicht, welche „berechtigten Ansprüche einzelner“ das verlangen. Dieser Einzelne bittet ja nicht um Privatgeld. Es geht um öffentliches Geld. Wer von einer Bank eine Finanzierung will, muss sich fragen lassen, wozu. Wenn ein kirchlicher oder sonstiger Träger öffentliches Geld will, wird er sich auch erklären müssen. Das ist nicht ehrenrührig, und das sollte auch nichts Besonderes sein.
Es gibt Bereiche, in denen nicht alles transparent sein kann, Personal- und Gehaltsentscheidungen etwa, oder der Preis, den ein Privatmann bei einem Grundstücksverkauf erzielt. Aber es gibt eben auch Artikel 52 der Bayerischen Gemeindeordnung, und der findet Transparenz eine wichtige Sache. Deshalb will er sicherstellen, dass unsere Stadt- und Gemeinderäte so viele Entscheidungen wie möglich transparent entscheiden. Transparenz, das ist das Prinzip.
Wie zerrissen ist die CSU?
Hier geht es nicht um Persönlichkeitsrechte, die eine öffentliche Debatte verletzen würde. Es geht nicht um den Schutz einer Verhandlungsposition, es geht nicht um Geschäftsgeheimnisse, es geht nicht um öffentliche Sicherheit. Es geht überhaupt nicht um gesetzliche Geheimhaltungspflichten. Es geht darum, dass der Stadtrat dieses Thema öffentlich debattieren könnte, aber nicht will. Der OB musste abstimmen lassen, und hätte eine Mehrheit für Öffentlichkeit gestimmt, wäre die Debatte öffentlich geführt worden. Das wäre möglich gewesen, und es wäre im Sinn der Gemeindeordnung gewesen.
Damit verstößt dieses Nein zur öffentlichen Debatte gegen den Sinn von Artikel 52 der Bayerischen Gemeindeordnung. Stadträte können sich für nichtöffentlich entscheiden, aber damit entscheiden sie gegen den Sinn der Gemeindeordnung. Warum tun sie das hier? Zuschussanträge werden regelmäßig öffentlich behandelt, und niemand sagt, dass „Informationen, die von Dritten zur Verfügung gestellt“ wurden, dagegen sprächen. In diesem Fall wird das gesagt.
Vielleicht hat es damit zu tun: Das Thema war schon im Schulausschuss, nichtöffentlich. Dort soll der Zuschuss mit großer Mehrheit abgelehnt worden sein, auch mit den CSU-Stimmen. Das war nicht im Sinn des OB. Wäre das Thema im Stadtrat öffentlich auch so gewesen, wäre klar geworden, wie zerrissen auch die CSU in dieser Frage ist, denn am Montagabend im Stadtrat soll es nur dank etlicher Stimmen von SPD und Freien Wählern für ein Ja zum Zuschuss gereicht haben.
Warum also nicht öffentlich?
Es gibt Gründe für diesen Zuschuss. Man kann sagen: „Etwa jeder fünfte Schüler an dieser Schule kommt aus der Stadt, und was passiert eigentlich, wenn die Sanierung am Geld scheitert und 300 Schüler ohne Schule dastehen?“ Es gibt aber auch Gründe dagegen. Man kann auch sagen: „Die Straubinger Haushaltslage ist katastrophal, erst kürzlich haben die städtischen Tochter-GmbHs Stadtwerke und SER insgesamt 15 Millionen Euro überweisen müssen, damit die Stadt ihren Haushalt aufstellen kann, und trotzdem haben wir kein Geld für unsere eigenen Schulen wie zum Beispiel Alburg. Warum dann Aiterhofen?“
Das zu diskutieren, ist die Aufgabe des Stadtrats. Die Bayerische Gemeindeordnung sagt: Wenn es irgendwie geht, soll das öffentlich sein. Aber das war nicht so, weil eine Stadtrats-Mehrheit das abgelehnt hat. Warum ist es einer Mehrheit lieber, dass man nicht allzu sehr darüber spricht? Soll der Eindruck vermieden werden, dass die CSU bei manchen Themen nicht so geschlossen ist, wie es scheinen soll?
Was sonst wären Gründe, um nicht offen dafür und dagegen zu argumentieren, ob die Stadt sich an der Sanierung einer Privatschule mit kirchlichem Träger im Landkreis beteiligen soll? Wobei der Hang zur Nichtöffentlichkeit in Straubing vielleicht auch von jeher ein bisserl ausgeprägter als anderswo ist: Andere Städte veröffentlichen zu ihren Sitzungen auch die Tagesordnungspunkte des nichtöffentlichen Teils. In Straubing ist sogar das schon top secret.
