Raketen-Technologie

Tatsächlich zweireihig: Der Untere Markt in Weiden. Foto: Stadt Weiden

„In Weiden in der Oberpfalz“, kommentiert auf Facebook ein Leser die „Pflanzt Bäume!“-Kolumne von voriger Woche, „ist auf dem halben Stadtplatz eine optisch ansprechende Baumreihe realisiert worden. Es scheint, dass es möglich ist.“ Und er schreibt weiter: „Vielleicht sollte man dort mal nachfragen, wie diese biologische Raketentechnologie funktioniert.“

Gute Vorschläge soll man zügig umsetzen. Also bin in die Raketenforschung gewechselt und habe in Weiden nachgefragt: Wie eigentlich funktioniert denn diese „biologische Raktentechnologie“? Und wissen Sie was? Es ist gar nicht schwierig. Im Grunde ist es sogar recht einfach. Denn so weit ich verstanden habe, war es halt so: Sie haben vor gut 40 Jahren Bäume gepflanzt. Und seitdem stehen die da. Biotechnologie kann manchmal so einfach sein.

Folgendes habe ich im Zuge der Forschung erfahren: Die Weidener Fußgängerzone mit Bäumen gibt es seit 1982, ein Jahr vor Straubing. Wer heute durch diese Fußgängerzone geht, trifft deshalb immer wieder auf Bäume. Es gibt sogar Marktstände unter Bäumen. In Weiden ist das möglich. Bäume stehen an vielen der kleineren Gassen, an Häusern und Hinterhöfen. Einige stehen seit über 100 Jahren da, wie alte Schwarz-Weiß-Fotos zeigen. Viele sind seit der Fußgängerzone da.

Immer noch Weiden, immer noch Zentrum, immer noch Bäume. Foto: Stadt Weiden.

Es ist nicht so, dass Weidens ganze Innenstadt ein riesiger Wald geworden wäre. Das ist sie nicht. Aber sie ist doch deutlich grüner als Straubing. Auch der Obere und der Untere Markt sind Fußgängerzone geworden. „Auf älteren Fotos“, sagt ein Mitarbeiter der Weidener Stadtverwaltung, „werden Sie noch Autos auf dem Unteren Markt fahren sehen.“ Heute nicht mehr. Heute stehen dort Bäume.

Das Alte Rathaus trennt beide Märkte, so wie in Straubing der Stadtturm den Oberen und Unteren Stadtplatz trennt. Am Oberen Markt zieht sich über etwa den halben Platz eine Baumreihe, der Untere Markt ist sogar zweireihig und nahezu durchgängig mit Bäumen besetzt.

Und dann gibt es noch eine Stadt in der Oberpfalz, die ziemlich grün ist. Das ist Neumarkt: Wir sehen zwei Stadtplätze, genau wie Straubing, aber jeder hat Bäume, die vor 50 Jahren noch nicht da waren, und auch aus anderen Gassen und Plätzen schimmert es grün. Auch dort scheint man bei Bio-Raketen schon ein bisserl weiter zu sein als im mühsam nachwachsenden Straubing.

Auch schneller als Niederbayern: Neumarkt in der Oberpfalz . Foto: Lisa Niebler /Stadt Neumarkt.

„Das Luftbild“, sagt Stadtmarketing-Manager Christian Eisner, „ist aber nicht mehr aktuell. Inzwischen haben wir mehr Grün.“ An einer Stelle ist jetzt ein temporärer Rasen ausgerollt. „Man merkt den Temperaturunterschied dort sofort“, sagt Eisner, „aber insgesamt ist das noch zu wenig.“

Aber ganz so einfach wie oben behauptet ist es natürlich nicht. Es ist mit viel Bürokratie verbunden, Fachstellen, Formulare, Denkmalschutz, Umweltamt, Planungsamt, Bauamt. Aber es geht, zumindest in Neumarkt, und sie begrünen weiter. Warum nicht auch Straubing?

Die „Pflanzt Bäume!“-Kolumne hat eine große Resonanz erfahren. Allein auf Facebook wurde sie über 50 Mal geteilt und mit insgesamt über 900 Likes versehen, auch von Menschen, die rund um den Stadtplatz arbeiten oder wohnen. Die Kommentare dazu waren zu über 95 Prozent positiv. Diese Zahlen sind natürlich nicht repräsentativ. Aber sie sind ein Fingerzeig, ein Indikator. Darum glaube ich: Eine Mehrheit sieht Bäume am Stadtplatz positiv.

Bier unter Bäumen schmeckt besser: Bei Maibaumaufstellen im Schützenhaus-Biergarten. Foto: Engel

Aber es gibt auch Gegner von Bäumen am Stadtplatz. Befürchtet wird: Kein Platz mehr für Rettungswege, Feuerwehr-Drehleitern oder Cafe-Freisitze. „Statikprobleme“ wegen darunter liegender „teilweise unbekannten Kellern“. Unvereinbarkeit mit „baulichen Vorschriften“. Und dass Lieferverkehr und Stadtbusse dann „Slalom um die Bäume“ fahren müssten.

Müssten sie? Die Stadtbusse schaffen es an den Stämmen der Kugelrobinien am Stadtplatz vorbei. Sie werden’s auch unfallfrei schaffen, wenn statt dieser sinnfreien Minibäume Linde, Gleditschie, Japanischer Schnurbaum oder Gingko da stehen. Bauliche Vorschriften? Feuerwehr? Wenn die nur 15 Meter breite Bahnhofstraße zwei Baumreihen, aber kein Problem mit Drehleitern hat, wird auch der doppelt so breite Stadtplatz keins haben. Und „Statikprobleme”? Gibt’s nicht. Es gibt keine Keller direkt unterm Stadtplatz.

Wieso also zwanghaft Gründe suchen, warum in Straubing unmöglich sein soll, was anderswo geht? Glaubt denn irgendwer ernsthaft, ein Architekt wie Frieder Herr hätte in seiner ursprünglichen Fußgängerzonen-Planung größere Bäume geplant, wenn’s gar nicht ginge? Warum lassen all diese Bedenken gegen Bäume am Stadtplatz an die unsinnige Verbannung der Touristenbusse vom Stadtplatz an den Hagen denken? Soll das typisch für Straubing sein?

Kostet so viel wie ein Kleinwagen: Straubings 13 000-Euro-Inselbeitrag gegen den Klimawandel im Zentrum. Was bringt’s? Foto: Engel

Ich glaube, eine Mehrheit der Straubinger weiß, dass Bäume das Innenstadtklima verbessern, und zwar besser als dieses Klima-Inslein am Ludwigsplatz. Sie weiß, dass damit die Aufenthaltsqualität besser wird. Kommunalpolitiker reden gerne von „Aufenthaltsqualität“ und mehr Grün auch am Stadtplatz. Aber nur reden reicht nicht. Irgendwann muss man ins Machen kommen.

Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe. So einfach ist das manchmal. Weiden und Neumarkt sind übrigens nicht nur schlaue Städte, die neueste Bio-Raketentechnologie nutzen. Es sind auch freundliche Städte, und sie haben gestattet, ihre Fotos zu nutzen.

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