Freie Wähler: Die Zerreißprobe

Stephan Weckmann, Kandidat 2020, und Christoph Weinholzner, Kandidat 2026.

Die Freien Wähler stehen vor einer Zerreißprobe. Das Wahlamt der Stadt Straubing wird die Vorgänge bei der Kandidatenaufstellung der Freien Wähler vor zwei Wochen offiziell prüfen. Bei der Stadt ist ein entsprechender Antrag eingegangen. Umstritten ist vor allem die Frage, ob die bei der Listenaufstellung durchgeführte Blockwahl überhaupt zulässig war. Und es gibt weitere Ungereimtheiten.

Gestern, Donnerstag, 11.13 Uhr: OB-Kandidat Christoph Weinholzner informiert im Whatsapp-Chat die FW-Mitglieder über den Antrag: „Der/Die Absender wollen weder den Freien Wählern schaden noch persönliche Interessen vertreten, sondern reagieren auf den begründeten Verdacht, dass Anhänger anderer Wählergruppen, (Linke, SPD) den Wahlvorschlag erst nach Ablauf der Heilungsfrist (19.01.2026) anfechten wollen.“

Das Wahlamt hat den Eingang bestätigt. Es ist offenbar eine ganze Gruppe, die den Antrag gestellt hat, Namen teilt das Amt nicht mit. Weinholzner sagt dazu: „Natürlich kenne ich die Leute, und es geht einfach um Rechtssicherheit“, erklärt er auf Anfrage, „wenn die Prüfung ergibt, dass das Verfahren in Ordnung war, ist das auch in Ordnung. Aber wenn nicht, haben wir jetzt noch Zeit, um die Ladungsfrist für eine neue Mitgliederversammlung einzuhalten.“

Was sagt die Satzung? Rechtslage undurchsichtig

Hintergrund: Bei der Listenaufstellung am 4. Dezember hatte das Lager um den FW-Vorsitzenden Stephan Weckman verhindert, dass der OB-Kandidat Christoph Weinholzner auf der Stadtratsliste weiter vorne platziert wird. Das Mittel dazu: Die Blockwahl der Kandidatenliste. Die Liste führt Weinholzner weiter hinten, aber sie ist gemacht worden zu einem Zeitpunkt, als die Freien Wähler noch dachten, ihr Vorsitzender Stephan Weckmann werde als OB-Kandidat antreten. Dann sagt Weckmann ab, Weinholzner tritt an. Aber die Blockwahl verhindert, dass der OB-Kandidat nach vorne kommt.

Nun muss geprüft werden, ob eine Blockwahl hier zulässig war. Grund: Die Freien Wähler sind ein e.V., und in einem e.V. müssen die Mitglieder einstimmig einer Blockwahl zustimmen, falls die Blockwahl nicht ausdrücklich in der Vereinssatzung geregelt ist. Weder die Satzung des Stadtverbands noch die des Landesverbands regeln das Thema. Doch in der Versammlung hatte ein Mitglied ausdrücklich eine Einzelwahl für die Plätze 1 bis 20 gefordert, der Wahlleiter aber nur über Platz 1 abstimmen lassen. Deshalb soll nun geprüft werden, ob die Wahl gültig ist.

Dahinter steht ein Machtkampf bei den Freien Wählern. Das Lager um den mächtigen FW-Vorsitzenden Stephan Weckmann will den OB-Kandidaten Christoph Weinholzner offenbar von einem Stadtratsmandat fernhalten. In einem Chatverlauf, der engel-sr.de vorliegt, wird deutlich, warum: Weder Weckmann noch die anderen Stadträte auf den ersten Plätzen waren bereit, einen vorderen Platz für den OB-Kandidaten zu räumen. Und das kommt so:

Chronologie: Wie das Weckmann-Lager umschwenkt

Am 20. November ist offene Fraktionssitzung der Stadtratsfraktion. Jedes FW-Mitglied kann dazu kommen. Etwa 20 Teilnehmer sind da, einige davon keine Mitglieder, sondern Unterstützer, nicht stimmberechtigt. Es geht um die Stadtratsliste. Stephan Weckmann ist nicht dabei. Über Adolf Herpich lässt er mitteilen, dass er als OB-Kandidat nicht zur Verfügung steht. Überraschung im Saal, Geschäftsführer und Stadtrat Christoph Laugwitz fragt, ob Einigkeit darüber herrsche, keinen OB-Kandidaten zu nominieren. Doch viele wollen einen Kandidaten, Weinholzner wird noch in der Versammlung gefragt, ob er’s machen will.

Zwei Tage überlegt er und spricht mit den Stadträten. Niemand rät ab. Am 23. November gibt er im Chat seine Bereitschaft bekannt. Überall Zustimmung, „sehr gut“, schreibt auch Stephan Weckmann und sendet ein „Daumen hoch“, „Respekt, meine Unterstützung hast“, schreibt Christoph Laugwitz, „super, klasse Entscheidung“, schreibt Stadträtin Daniela Maurer-Solcher. Einen Tag später ändert sich das.

Denn ein Mitglied schreibt: „Da der Christoph unser OB-Kandidat ist, gibt es wohl ein Listenplatzrücken. Der OB-Kandidat hat logischerweise (geht gar nicht anders, da unsere Nummer 1) den ersten Listenplatz! Stellt euch mal vor, wie blamabel dies für uns wäre, wenn dies nicht so wäre.“ Wenige Tage später wird die Liste tatsächlich geändert, aber nicht wegen Weinholzner: Stadträtin Daniela Maurer-Solcher und ein weiterer Kandidat steigen kurzfristig aus, Weinholzner bleibt weiterhin hinten.

„Wir wollen vorne bleiben“

„Der OB-Kandidat auf Platz 7? Geht gar nicht…“ kommentiert nun ein Mitglied. Das wiederum kommentiert FW-Geschäftsführer und Stadtrat Christoph Laugwitz: „Ich würde mir persönlich jedoch schon wünschen, dass wir Stadträte zumindest auf unseren vorderen Plätzen bleiben, zumal wir die Arbeit der letzten Jahre gemacht haben.“ Die persönliche Platzierung wichtiger als der Erfolg der Freien Wähler?

Nach dem Prüfungsantrag von gestern geht es jetzt rund. Anhänger Weckmanns und der Stadtratsfraktion toben, „meinen Platz kannst du haben, meine Stimme nicht mehr“, heißt es jetzt. Auch der Vize-Vorsitzende Manuel Janker schaltet sich ein, um „zur Vollständigkeit zu erwähnen, dass wir zwei Wochen vor der Veranstaltung (Listenaufstellung am 04. Dezember, Anm. d. Red) bereits abgestimmt hatten… wir entschlossen uns gegen einen Bürgermeisterkandidaten (sic! Anm. d.Red.)“, schreibt Janker, und weiter: „Dies war meiner Meinung nach auch eine demokratische Wahl.“

Eine demokratische Wahl? Janker sagt damit, dass bereits am 20. November von einer Fraktionssitzung entschieden worden ist, ob ein Kandidat nominiert werde und dass keiner nominiert werde. „Legitimiert hat“, sagt Manuel Janker auf Anfrage, „dass eine Vielzahl von Mitgliedern anwesend war und per Handzeichen abgestimmt hat.“ Doch der Chatverlauf zeichnet ein anderes Stimmungsbild. Es ist auch nicht Sache einer Fraktionssitzung - offen oder nicht - über eine OB-Kandidatur zu entscheiden. Das ist Sache der Mitgliederversammlung, und die Frage ist: War eine Blockwahl hier zulässig? Es ist eine Zerreißprobe für die Freien Wähler, „wir können nur abwarten“, sagt Christoph Laugwitz, „was das Wahlamt entscheidet.“ Es gibt gute Gründe, dass das Wahlamt sich die Sache anschaut.

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Stephan Weckmann: Das Interview

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