Die Selbstzerstörung der Freien Wähler

Vorgetäuschte Einigkeit: Die FW-Kandidaten mit Christoph Weinholzner (links) und Stephan Weckmann (2. Reihe Mitte) Foto: Engel

Eine Kandidatenaufstellung wie am Donnerstagabend bei den Freien Wählern hat es vermutlich noch nie gegeben, nirgendwo. Dieser Abend war unglaublich: Erst wird ein OB-Kandidat gewählt, dann wird er sofort demontiert, und zwar von der eigenen Parteispitze, und danach reicht’s mit Müh und Not noch zu einem Gruppenbild. Für die Medienvertreter war das spannend zu sehen. Für die Freien Wähler war’s ein Debakel, und angerichtet hat es die eigene Führung.

Donnerstagabend im Schützenhaus, kurz vor dem Start ins Debakel: „Wird ja ganz spannend, was ich im Vorfeld so mitgekriegt hab“, sagt der Wahlleiter, Matthias Fischer aus Kirchroth. Das war krass untertrieben angesichts dessen, was dann passiert: Erst wird Christoph Weinholzner gewählt, 42, verheiratet, zwei Kinder, gebürtiger Straubinger und Beamter bei der Gewerbeaufsicht Regensburg. Und dann tut die Parteispitze alles, um ihn so fern vom Stadtrat wie nur irgend möglich zu halten, und das gelingt.

Weinholzner ist der einzige Kandidat, Cairo-Wirtin Kathrin Schötz schlägt ihn vor. Sein Ergebnis: 17 zu 14 für ihn, nur 55 Prozent. Und es wird schlimmer. Denn der Vorschlag der Stadtratsliste führt Weinholzner auf Platz 7. Einen OB-Kandidaten wählen und dann nur auf Platz 7 setzen? Das hat es in ganz Deutschland vermutlich noch nie gegeben. Deshalb kommt ein Antrag mit dem Ziel, ihn auf Platz 1 zu setzen. Doch da steht Stephan Weckmann, der Vorsitzende. Und jetzt wird es interessant: In geheimer Wahl gewinnt jetzt Weckmann mit 17 zu 14.

Am Rande des Abbruchs

Ein Versuch, Weinholzner zumindest auf Platz 2 oder 3 zu bekommen, scheitert ebenfalls. Das Weinholzner-Lager um Maximilian Herpich will über Platz 2 für den OB-Kandidaten abstimmen, doch das Weckmann-Lager sorgt dafür, dass im Block über die Plätze bis 10 abgestimmt wird. Damit bleibt Weinholzner auf 7. Das wiederum bedeutet: Selbst seine Chance auf ein Stadtratsmandat ist nicht groß.

Es sind in der Hauptsache die amtierenden Stadträte und einige junge Leute um Weckmanns Sohn Sven-Erik, die jeden Versuch scheitern lassen. Darauf kommt es zu Streitereien um den Wahlmodus. Weinholzner-Unterstützer zweifeln an, dass eine Blockwahl legitim ist, wenn jemand eine Einzelwahl fordert, es fallen Worte wie „Wahlbetrug“ und „anfechtbar“. Kurz wird überlegt, den Abend abzubrechen und zu wiederholen. Dass die Freien Wähler bis zum Zerreißen gespalten sind, ist nicht mehr zu übersehen. Doch was ist der Grund, dass Weckmann und sein Lager Weinholzner verhindern wollen, selbst um den Preis der Selbstzerstörung?

Dass Christoph Weinholzner antritt, hat sich erst vor zwei Wochen entschieden. Monatelang hatten die Freien Wähler zuvor gerätselt, ob’s Stephan Weckmann noch einmal macht. Monatelang hatte Weckmann sich bedeckt gehalten, einmal „vielleicht“ gesagt, dann wieder „Nein“, so hörte man immer wieder. Dann, vor zwei Wochen, kommt die Listenbesprechung. Weckmann, der Vorsitzende, erscheint dazu nicht. Er lässt nur ausrichten, er werde nicht als OB kandidieren. Erst jetzt kommt Weinholzner ins Spiel.

„Is halt a so“, sagt Weckmann

Als Weinholzner seine Bereitschaft erklärt, ist die Zustimmung groß. Nahezu alle, auch die Fraktion und auch Weckmann selbst, heben in der FW-Whatsapp-Gruppe den Daumen. Ein paar Tage später ist es damit vorbei. Was ist der Grund? Auf die Frage, warum sein Lager so gegen den eigenen Kandidaten abstimmt, sagt Stephan Weckmann am Donnerstagabend nur: „Is halt a so. Des is die Mehrheit. Alles geheim abgestimmt, geheim gewählt.“

Der Grund offenbar: Ein Mitglied schlägt wenige Tage nach Weinfurtners Bereitschaftserklärung einen vorderen Listenplatz für den OB-Kandidaten vor. Doch die sind belegt von wieder kandidierenden Stadträten, und die sind nicht zum Verzicht bereit. Nur Adolf Herpich plädiert im Schützenhaus für einen besseren Platz Weinholzners, doch Herpich hat sich zurückgezogen auf Platz 40 und Daniela Maurer-Solcher tritt nicht mehr an. Die ersten drei Plätze sind von Weckmann selbst, Michele Gianfrancesco und Christoph Laugwitz belegt, und keiner will einen Platz zurück. Das ist wohl allen klar spätestens seit einem entscheidenden Treffen vier Tage zuvor.

„Welches Treffen?“, sagt Weckmann am Donnerstagabend auf eine Frage zu diesem Treffen, aber er weiß, welches gemeint ist. Es findet in seinem Büro statt. Alle FW-Stadträte sind dabei, dazu Christoph Weinholzner und ein Begleiter. Weinholzner wird massiv gedrängt, auf eine Kandidatur zu verzichten. Er tut es nicht. Am Donnerstagabend sorgt nun das Weckmann-Lager dafür, dass Weinholzner so chancenlos wie möglich bleibt. Lieber riskiert es das Auseinanderfallen der Freien Wähler, bevor sie dem eigenen OB-Kandidaten eine gute Ausgangsposition einräumen, und eine Gratulation des FW-Vorsitzenden Weckmann an den FW-OB-Kandidaten gibt es nicht.

Das entscheidende Treffen

„Wird’s überhaupt noch zu einem gemeinsamen Gruppenfoto reichen?“, fragen sich die Pressevertreter, „aber wirst sehen“, sagt Christoph Laugwitz, Stadtrat und FW-Geschäftsführer, „den Wahlkampf machma miteinander.“ Schwer vorstellbar nach diesem Abend. Weinholzner selbst wirkt ratlos, „ich kann dazu jetzt gar nichts sagen“, ist sein Kommentar, doch er verspricht ein Interview noch an diesem Wochenende.

Am Ende tritt Weckmann ans Mikrofon. „Ich bin jetzt 57 Jahre alt“, beginnt er, „aber was ich heut da herin erlebt hab, hab ich noch nie erlebt“, und er berichtet, dass ihm ein Mitglied gedroht habe, wenn er sich nicht zurückziehe als Stadtrat und Vorstand, werde der Abend eskalieren. „Und das hat er geschafft“, sagt Weckmann, „tut mir leid.“ Das Mitglied ruft „Nein! So nicht!“, Weckmann sagt „Ich schließ das jetzt ab. Dankeschön, das die Presse da war“, und das klingt ziemlich ironisch, was zu einem Abend der Selbstzerstörung aber auch irgendwie passt. Und dann reicht es doch noch zu einem Gruppenbild.

Ja, stimmt, die Listenaufstellung war auch noch.

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„Wir holen uns die Freien Wähler zurück“

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