„Wir holen uns die Freien Wähler zurück“

Christoph Weinholzner, 42, vom FW-Establishment ungeliebter OB-Kandidat

Die Freien Wähler: Im Grunde eine Graswurzel-Bewegung, basisorientiert, von unten nach oben. In Straubing haben wir das am Donnerstagabend anders erlebt: Ein Machtkampf zwischen dem Establishment um den FW-Vorsitzenden Stephan Weckmann, 57, gegen den eigenen OB-Kandidaten, Christoph Weinholzner, 42, einen Mann der Basis. Die Alte Garde hat alles getan, um zu verhindern, dass der OB-Kandidat auf der Stadtratsliste nach vorn kommt, ein vermutlich in ganz Deutschland einmaliger Vorgang. Christoph Weinholzner im Interview:

Christoph Weinholzner, was ist in Ihnen vorgegangen an diesem Abend?

Christoph Weinholzner: Ich muss bloß einmal kurz klarstellen: Sie haben ‚Establishment‘ gesagt. Unser zweiter Vorsitzender, der Manuel Janker, war da eindeutig nicht involviert. Der war genauso überrascht. Es waren die Stadträte, und auch da möchte ich den Adolf Herpich ausnehmen. Der hat sich immer um einen Kompromiss bemüht bei dieser Listenplatzierung, er hat wirklich alles versucht.

Aber was ist in Ihnen vorgegangen?

Weinholzner: Ich hab gehofft, dass man das Platzierungsproblem in der Versammlung noch lösen kann. Aber dann hat das eine eigene Dynamik angenommen und ich war dann ähnlich überrascht wie die meisten, über die Art und Weise.

Erst war ja überall eitel Freude und Sonnenschein, dass Sie antreten wollen, und dann tut das FW-Establishment um Stephan Weckmann alles, um Ihnen den schlechtestmöglichen Start zu bescheren. Ist das nur deshalb, weil keiner seinen vorderen Listenplatz für Sie räumen wollte? Oder ist da mehr?

Weinholzner: Da kann ich nur Vermutungen anstellen. Es ist zuletzt nicht gewünscht gewesen von den Stadträten, einen OB-Kandidaten zu stellen, außer von Adolf Herpich. Der war immer dafür.

Erst dann kam Feuer ins Spiel“

Aber warum sind die Stadträte erst dafür und dann plötzlich dagegen?

Weinholzner: Ich kann nur vermuten, weil ich’s nicht weiß, dass man keine Änderung der Liste mehr wollte. Die stand ja schon fest, als unser Vorsitzender hat ausrichten lassen, dass er nicht zur Verfügung steht als OB-Kandidat. Als ich zwei Tage später gesagt hab, ich würde kandidieren, kam erst von allen Seiten Unterstützung, nirgendwo Zweifel. Erst, als dann erste Stimmen kamen, dass der OB-Kandidat nicht auf Platz 8 stehen kann, kam Feuer ins Spiel.

Sie sagen Platz 8. Aber Sie sind auf Platz 7, nicht 8.

Weinholzner: Die 7 resultiert nur daraus, dass die Stadträtin Daniela Maurer-Solcher einen Tag vor der Aufstellungsversammlung dem Geschäftsführer mitgeteilt hat, dass sie nicht mehr zur Verfügung steht.

Das war erst diesen Mittwoch? Einen Tag vor der Aufstellung? Und sonst wären Sie sogar von Platz 8 gestartet?

Weinholzner: Richtig.

Einer will das verhindern“

Als Beobachter konnte man den Eindruck haben: Das könnte die Freien Wähler zerreißen, ein „Miteinander“ im Wahlkampf erscheint im Moment gar nicht vorstellbar. Wie sehen Sie das?

Weinholzner: Das seh ich ein bisserl anders. Eine Demokratie muss eine Diskussion aushalten. Die Freien Wähler stehen dafür, dass es keinen Maulkorb gibt, dass jeder seine Meinung sagen kann. Allerdings stehen die Freien Wähler auch dafür, dass man Entscheidungen trifft ohne Hierarchie von oben. Der Donnerstagabend hat gezeigt, dass die Freien Wähler vermeintlich in zwei Lager gespalten sind, aber das würd ich nicht so sehen. Wir sind ein Lager, und einer will das verhindern.

Dieser Eine - ich nehme an, Sie meinen Stephan Weckmann – hat aber genügend Truppen hinter sich, um Sie zu einem Kandidaten mit nur 55 Prozent zu machen und Sie auf dem Listenplatz 7 einzumauern. In Weckmanns Rede am Ende hat es nicht einmal den üblichen Glückwunsch gegeben, kein Wort des Zusammenhalts. Glauben Sie, er wird Sie im OB-Wahlkampf unterstützen?

Weinholzner: Nein.

Wie wird sich das auswirken?

Weinholzner: Das müssen Sie den Herrn Weckmann fragen, was er vorhat. Ich habe mich nicht selbst ins Spiel gebracht. Ich wurde vorgeschlagen und ich habe gesagt, ich mach das, und dabei bin ich geblieben.

Es heißt, es hat dieses Treffen gegeben, vergangenen Sonntag bei Weckmann, und dass da großer Druck auf Sie ausgeübt worden ist, damit Sie nicht kandidieren.

Weinholzner: Richtig. Dieses Treffen hat’s gegeben. Da war ganz klar die Ansage, an der Liste wird nichts geändert, egal, ob du OB-Kandidat machst oder nicht. Nur Adolf Herpich hat z-ig Vorschläge gemacht, wie man das lösen könnte, Herpich war immer um eine Lösung bemüht. Ich habe dann nur gesagt, das entscheidet die Versammlung. Das hat sie jetzt. Wie die Entscheidung zustande kam, sei dahingestellt.

Jetzt zur Kommunalpolitik: Was ist der Grund, dass Sie als OB-Kandidat antreten?

Weinholzner: Grundsätzlich sehe ich es als Pflicht, allen Straubingern die Möglichkeit zu geben, nicht nur bei der Stadtratswahl für die Freien Wähler stimmen zu können.

Und was wäre das Erste und Wichtigste, das Sie als OB anpacken würden?

Weinholzner: In unserem Wahlkampf werden Themen kommen wie Zweitwohnsitzsteuer. Es gibt mehrere Städte, wo es eine Zweitwohnsitzsteuer gibt, Freising zum Beispiel. Damit werden Zusatzeinnahmen geschaffen, oder Menschen werden dazu bewegt, ihren Erstwohnsitz hier anzumelden. Das wären mehr Schlüsselzuweisungen. Das würde ich als Erstes diskutieren, ob das nicht ein Weg wäre.

Wir lassen uns nicht mehr bestimmen“

In Ihrer Vorstellungsrede haben Sie gesagt, es müsse die Wirtschaft gestärkt werden. Was kann eine Stadt dafür tun?

Weinholzner: Straubing ist zu unattraktiv für die Wirtschaft. Es gibt Abgänge von Firmen. Warum ist das so? Wir haben neue Gewerbegebiete ausgewiesen, wir haben eine gute Infrastruktur, eine gute Verkehrsanbindung. Woran liegt’s dann? Und da würde ich einfach das Beispiel Gewerbegebiet Eglseer Moos nehmen: Ist es wirklich zielführend, in angespannten Zeiten die Kosten einer Ansiedlung noch zu erhöhen, weil man Dachbegrünung verlangt oder eine Außen-PV? Ich finde das auch gut, aber ich glaube, in der Zeit jetzt müssen wir schauen, dass wir erst wieder in Tritt kommen.

Mit Ihnen ist das Bewerberfeld voll: Sechs Kandidaten, klarer Favorit ist Markus Pannermayr. Welche Platzierung wäre für Sie ein Erfolg?

Weinholzner: Ein Erfolg wäre für uns die Stichwahl gegen Markus Pannermayr.

Zur Stadtratsliste: Bisher haben die Freien Wähler fünf Sitze im Stadtrat. Wie viele Sitze sind nach der Vorgeschichte vom Donnerstag jetzt realistisch?

Weinholzner: Ich kann noch nicht ganz einschätzen, ob diese Vorgeschichte eher positiv oder eher negativ aufgenommen wird. Man kann’s ja auch so deuten, dass man hier einen Vorschlag von Leuten hat, die zutiefst demokratisch denken. Ob jetzt da einzelne Personen weiterhin dabei sind oder ausscheiden, weiß ich nicht. Ich seh’ die Versammlung vom Donnerstag eher als Emanzipation, als „Wir holen uns die Freien Wähler wieder zu dem zurück, wozu sie gegründet worden sind, wir lassen nicht mehr über uns bestimmen, was wir zu tun haben“. Dafür kämpfen wir mit sehr vielen Freien Wählern hinter mir; die Zustimmung seit Donnerstag ist überragend, per Whatsapp und telefonisch. Grundsätzlich würd’ ich sagen: Drei bis vier Plätze mehr sind drin. Das müssen wir uns einfach auf die Fahnen schreiben.

Wenn Sie den Sprung schaffen, werden Sie vermutlich in einer Weckmann-dominierten Fraktion sein. Wäre eine gute Zusammenarbeit möglich?

Weinholzner: Grundsätzlich bin ich offen für Gespräche und Aufarbeitung, ich bin aber auch offen dafür, dass jemand sagt, „das ist nicht mehr meine Vereinigung“.

Christoph Weinholzner, Danke für das Gespräch.

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Die Selbstzerstörung der Freien Wähler