Ende der Frist

Macht alles besser am Stadtplatz: Ein Aldi-Schirm. Foto: Engel

Heute ist der 14. Juli, Frankreichs großer Feiertag, Sturm auf die Bastille, Blauweißrot alles. Am Stadtplatz ist heute kein Feiertag. Ab heute muss dort jeder Schirm Grauweißbeige sein und ohne Aufdruck. Die Ordnungsamtsfrist für die Gastronomie läuft heute aus, mit Bußgeldhinweis. Der Gäubodenhof hat darum neue Schirme gekauft, 7,99 das Stück, kriegt man bei Aldi. Ich bin nicht sicher, ob Schirme für 7,99 den Stadtplatz qualitativ bereichern; aber vermutlich tun sie das, denn diese Aldi-Schirme sind aufdruckslos farblos. Es ist ein großer Sieg für den Denkmalschutz.

Es kann schon hart sein mit dem Denkmalschutz. Er übertreibt es manchmal. Die Ordnungsamt-Order am Stadtplatz gehen ja zurück auf den Denkmalschutz, und warum? Weil der Stadtplatz als „geschütztes Ensemble“ ein Baudenkmal ist und im Bayerischen Denkmalschutzgesetz, Artikel 6, steht: „Der Erlaubnis bedarf auch, wer in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann.“

Ein kleiner Brauereischirm, findet der Denkmalschutz, ist eine Anlage im Sinn des Gesetzes und wirkt sich auf das Erscheinungsbild aus, und das darf nicht sein. Aber ein Schirm ist nur ein Schirm, und ein kleiner Brauereischirm ist weder fest installiert, noch steht er Tag und Nacht da; bei Sonne spannt man ihn als Zusatzschutz auf, danach räumt man ihn weg: Anlage? Ernsthaft? Der Stadtplatz in Deggendorf ist auch ensemblegeschützt, trotzdem stehen dort Schirme mit Farbe, und zwar richtig große und fest montiert. Da stellt sich die Frage: Warum ist in Deggendorf ein Schirmspannen kein Anlagenbau?

Brechen sie in Deggendorf das Gesetz?

Gelten in Degendorf andere Gesetze? Brechen sie dort das Gesetz? Herrscht donauabwärts gesetzloses Treiben? Nein, tut es nicht. Es ist nur so, dass der hiesige Denkmalschutz schon seit Jahren sagt, dass Straubings Ensemble höherwertig als das in Deggendorf ist, deshalb verträgt Straubings Ensemble keine bunten Schirme, aber Deggendorf schon. Welch ein Argument.

Selbstverständlich hat Straubing ein höherwertiges Ensemble, ich bin der Letzte, der da nicht zustimmt. Aber so hochwertig, dass man deswegen bei Sonne keinen zusätzlich schützenden Brauereischirm aufspannen kann, sehe ich den Stadtplatz nun auch wieder nicht, und auch das Gesetz sagt: Entweder ensemblegeschützt oder nicht. Es kennt keine verschiedenen Stufen der Wertigkeit, nicht einmal zwischen Straubing und Deggendorf.

Vor gut acht Jahren, nach der „Bunte-Schirme-Affäre“ in der Jakobsgasse, haben sie im Rathaus versucht, eine vernünftige Lösung zu finden. Eine Arbeitsgruppe wurde gegründet. Es war eine richtig große AG, mit Rechtsdirektorin, Stadtplaner, Bauordnung, Ordnungsamt, Stadtarchiv und Stadtmarketing, dazu der OB, alle Fraktionschefs und natürlich der Denkmalschutz, 14 Köpfe insgesamt.

Wie der Berg kreißte

Elf Wochen lang, vom 11.11. 2016 bis 24.01.2017, wurde beraten. Ergebnis: Farbe an Schirmen? Das ist nicht möglich. Weil der Stadtplatz ein „geschütztes Ensemble“ ist und das Bayerische Denkmalschutzgesetz greift. „Eigentlich war das Arbeit für nix“, hat ein AG-Mitglied damals zu mir gesagt, „weil das mit dem Denkmalschutz sowieso klar war.“ Der Berg hat gekreißt, geboren wurde nicht einmal eine Maus, und irgendwo tief drin im Rathaus hat eine Katze sich in den Schwanz gebissen. Das war 2017.

Dann war Corona, und danach hat am Stadtplatz das bunte Leben sich wieder Bahn gebrochen, Sommer, Sonne, Sonnenschirm, und es waren wieder ein paar Farbtupfer da, weil Leben und Denkmalschutz nicht immer gleich sind. Und deshalb muss das Ordnungsamt jetzt erneut für mehr Farblosigkeit streiten, ob es will oder nicht, denn Vorschrift ist Vorschrift: Welcome back, graue Wirklichkeit, und „Straubing ist bunt“ war doch nie wörtlich gemeint.

Palme: Unzulässige Anlage im Sinn des Gesetzes bis 2014, danach zulässig. Fasstisch: Unzulässige Anlage? Zulässig? Man weiß es nicht. Foto: Engel

Was wird die Politik diesmal tun? Diesmal sieht es so aus, aus wolle die Politik sich ihren Handlungsspielraum nicht länger von einer zu restriktiven Denkmalschutz-Auslegung vorschreiben lassen. „Wir müssen nachdenken über eine Lösung mit allen Beteiligten“, sagt CSU-Fraktionschef Holger Frischhut, „von mir aus könnten die Schirme ruhig bleiben, wenn kein Flucht- und Rettungsweg behindert wird.“ Er will mit dem Denkmalschutz eine Lösung finden.

Verwunderlich, dass wir alle eingeknickt sind

„Ich versteh die Einwände vom Denkmalschutz nicht“, sagt SPD-Fraktionschef Peter Euler, „es geht doch ums Wohlbefinden in der Innenstadt.“ Der Freie-Wähler-Chef Adolf Herpich ergänzt sehr klar: „Ob auf einem Schirm Arco steht oder nicht, ist mir doch wurscht“, und ÖDP-Chef Karl Dengler sieht’s ähnlich: „Nachdem es künftig eine feste Fischhütte, ein Wasserspiel und gr0ße Bäume am Stadtplatz geben wird, verändert sich die Optik der Stadtplätze. Also sollten auch bunte Schirme und alternative Sitzgelegenheiten geduldet werden, und für mich ist Werbung o.k.“

ÖDP und Grüne waren schon vor acht Jahren für etwas mehr Farbe. Die Grünen-Fraktionschefin Feride Niedermeier sagt deshalb auch heute: „Es ist sehr verwunderlich, dass wir damals alle eingeknickt sind. Wenn die Sonne strahlt und du siehst farbenfrohe Sachen, dann macht das doch gute Laune. Wir müssen uns da alle noch einmal zusammensetzen.“ Es ist viel Gesprächsbedarf da.

Das Ordnungsamt hat nämlich auch einige Wirte drauf hingewiesen, dass neben Brauereischirmen auch „Bänke, Gärtenmöbel und Tonnen oder Fässer als Stehtische unzulässig“ sind. Und jetzt wird’s verwirrend: Hingewiesen wurden Wirte ohne Bänke und Fasstisch, Wirte mit Bänken und Fasstisch nicht. Ich habe deshalb bei der Stadt angefragt, was das konkret heißt: Bekommen auch Wirte mit Bänken jetzt ein Problem oder nicht? Die Antwort war etwas unklar: „Wir bitten um Verständnis, dass wir dazu nichts sagen können. Es sind alles Einzelfall-Entscheidungen.“ Und weil heut der 14. Juli ist: Vive la France!

Altstadtgasse in Avignon. Foto: Hilke Maunder

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