Über Aktivisten

Klima-Aktivist, knieend, im Januar 2023 nach Kartoffelbreiwurf aus Protestgründen auf ein Ausstellungsbild. Foto: WDR

Man lernt ja nie aus, und am vergangenen Samstag hab ich wieder was gelernt, es war bei der Listenaufstellung der Straubinger Linken. Einen Beruf hab ich kennengelernt, der mir noch unbekannt war: „Beruf“, hat ein Listenkandidat bei seiner Vorstellung gesagt: „teils Vater, teils Aktivist.“ Ich war erstaunt. Aktivist? Als Beruf? Ja, gibt’ denn das wirklich? Und ist man da Freiberufler? Oder im Angestelltenverhältnis, etwa bei einer NGO? Ich hab recherchiert, und was soll ich sagen: Den Beruf gibt es wirklich.

Zunächst aber kurz die Entstehungsgeschichte des „Aktivisten“. Es gibt nämlich ein Forschungsprojekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Es heißt Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache (ZDL), und es beschreibt alle Wörter der deutschen Sprache. „Aktivist“ schreibt das ZDL, steht „seit dem Ersten Weltkrieg für die Anhänger pro-deutscher politischer Bewegungen im europäischen Ausland (bzw. für diese Bewegungen selbst).“ 

Und es wird schlimmer. Im Deutschlandfunk-Beitrag Der Aktivist – die seltsame Karriere eines Worts vom Juli 2024 heißt es: „Hitler wurde von seinen Vasallen Aktivist genannt. Der von ihm kreierte Aktivismus war Zentralpunkt der stupid-militärischen Hitler-Bewegung. Darin galt nicht intellektuelle Disziplin, sondern Draufgängertum, Fanatismus und dumpfe Männlichkeit.“ Kein Wunder, dass die Alliierten nach 1945 unter „Aktivist“ eine bestimmte Art von belasteten Nazis verstanden.

Erst Rechts, dann Links…

Aber schon wenig später macht der „Aktivist“ wieder Karriere, aber vorerst nur in der DDR. Bereits den 50er Jahren gibt es dort den Ehrentitel „Verdienter Aktivist“ , und die Ehrenurkunde dazu wird überreicht in einer goldgeprägten Mappe. Der DDR-Aktivist ist selbstverständlich nicht abgeleitet aus dem Nazi-Aktivist, sondern aus der Sowjetunion, dort war der Aktivist schon lange vor der DDR ein hochangesehener Mann. Als es dann vorbei ist mit dem Arbeiter- und Bauernstaat, ist der Begriff wieder frei, und seither sind plötzlich überall „Aktivisten“:

Aktivisten kleben sich an Straßen und an Bilderrahmen, ketten sich an Bahngleise und fesseln sich gerne an Bäume. Damit gelingt ihnen mühelos, sogar im Sitzen aktiv zu sein, und vielleicht erreicht man für seine Sache wirklich sehr viel, wenn man in Ausstellungen auf Bilder Kartoffelbrei schmeißt oder Konzerte stört oder sonst etwas Aktivistisches tut. Es gibt so viele Arten des Aktivismus wie es Aktivisten gibt. „Aktivist“, lesen wir auf der Deutschlandfunk-Seite, „ist jeder, der seine Aktivität vor sich stellt. Es gibt links- und rechtsradikale, woke, queere, reaktionäre und religiöse Aktivisten; es gibt agitatorische Künstler, die sich als solche bezeichnen; Klimaprotestanten, Kinder-, Food-, Mode-, Inklusionsaktivisten und viele mehr.“

Bis hierhin kann man denken: „Ja,ja, Aktivist ist man halt aus Berufung.“ Und dann sitzt man in der Listenversammlung der Linken und hört, dass das auch ein Beruf ist. Und wirklich, es ist auch einer. „NGOs“, lese ich auf der Deutschlandfiunk-Seite, „ermöglichen leidenschaftlichen Freigeistern eine Ausbildung, in der sie lernen, wie sie – trotz allen Eifers – norm- und formgerecht handeln und nehmen sie schließlich unter Vertrag. So müssen sich die Aktivisten nicht um einen schnöden Brotverdienst scheren, sondern können sich voll und ganz ihren Aufgaben widmen.“

…und dann wieder Beides

„Fürs Demonstrieren bezahlt werden? Das kann man unter anderem als Aktivist beim Kampagnennetzwerk Campact“, steht in einem Artikel vom Juli 2024 der MDR, und weiter: „Das ist eine NGO (Nichtregierungsorganisation), die sich für progressive Politik, Demokratie und Menschenrechte einsetzt, erklärt Astrid Deilmann, die Geschäftsführerin von Campact. Mitarbeitende sucht die Organisation zurzeit in den Bereichen Presse und Social Media, und zwar über die normalen Jobplattformen …Astrid Deilmann findet, dass Aktivismus auch ein Beruf sein kann. Bei Campact arbeiten rund 100 Aktivisten mit Arbeitsvertrag und Gehalt, vor allem aber in der Organisation von Kampagnen.“

Und dann gibt es noch Meldungen wie diese Meldung vom Montagvormittag: „Pro-Palästina-Aktivisten dringen in Münchner Unigebäude ein.“ Dort verwüsten und beschmieren sie allerlei und zünden Pyrotechnik, was man halt macht als aufrechter Antisemit, und auf einer Demo in Berlin haben andere Palästina-Aktivisten kürzlich „Germany is a Nazi State“ geplärrt und die Hamas gepriesen, man weiß aber nicht, ob aus Berufung oder aus beruflicher Pflicht.

Leider ist mir auf die Schnelle nicht gelungen, die beiden Aktivisten-Kandidaten der Linken aufzutreiben. Er kämpfe leidenschaftlich gegen Rechtsextremismus, hat der „teils Aktivist“ in seiner Vorstellung gesagt, und dass der besonders in Straubing Ost „extrem“ sei. Das klingt nach rechten Aktivisten in Straubing Ost, und das ist nachfragenswert. Und dann hätte mich noch interessiert, ob „Aktivist“ wirklich sein Beruf ist oder nicht doch mehr Berufung. Vielleicht liest ja wer diesen Text und wir kommen ins Gespräch miteinander, von Kollege zu Kollege vielleicht. Ich bin ja auch Aktivist, irgendwie, aber ganz sicher kein fremdfinanzierter.

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