Beinah historisch
Noch schwellenlos: Die Fraunhoferstraße. Foto: Engel
Gut, „historische Entscheidung“ wäre vielleicht doch etwas zu dick aufgetragen, obwohl, vielleicht ja doch nicht: Zum ersten Mal nämlich hat die Stadt auf die Hilfsbitten von Innenstadt-Straubingern gegen Raser und Poser reagiert. Mit großer Mehrheit hat der Ordnungsausschuss gestern Abend beschlossen, Bremsschwellen zumindest auszuprobieren, und zwar in der Fraunhofer-Straße, im nächsten Frühling und für drei Monate.
Die Verwaltung hat zuvor natürlich keinen Zweifel daran gelassen, dass sie dieses Ausprobieren für gar nicht gut hält. Aber weil dieses Ausprobieren auf der jüngsten Bürgerversammlung massiv gefordert worden ist, hat OB Markus Pannermayr das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. „Es war eine stattliche Anzahl von Teilnehmern“, räumt deswegen das Ordnungsamt ein, „die das Thema eingebracht haben, deswegen ist der Auftrag erteilt worden, zu prüfen.“
Vor der Abstimmung hat die Verwaltung aber erst einmal alles aufgefahren, was gegen Bremsschwellen spricht: Sturzgefahr für Radler und Motorräder. Probleme für Rettungs- und Einsatzfahrzeuge, weil alle durchgerüttelt werden. Und der Winterdienst auch. Dazu die rechtliche Situation: „Mobile Bodenschwellen sind rechtlich eher kritisch zu sehen.“ Gut beschildert und beleuchtet müssen sie werden, und es wird darauf hingewisen, dass es die Stadt Straubing sein wird, die haftbar sein werde, „wenn ein Kraftfahrzeug Schaden erleidet.“ Und außerdem: Nach der Schwelle beschleunigen Raser ja wieder und die Schwelle bringt deshalb gar nix.
„In anderen Städten funktioniert’s“
Spätestens aber, als zum Abschluss der Argumentation „Das Überfahren macht natürlich auch ein Geräusch“ kommt, kann man sich heimlich denken, dass das schon etwas seltsam argumentiert ist: Lärm? Immerhin rufen viele Innenstadtbewohner schon seit vielen Jahren nach Hilfe gegen den nächtlichen Autolärm, so richtig gekümmert hat’s keinen. Und jetzt sagt die Verwaltung, dass eine Maßnahme nicht gut ist, weil das für die Anwohner Lärm bringt?
Nächtlicher Autolärm in der Innenstadt ist seit Jahren ein großes Problem für viele Menschen, die in der Innenstadt wohnen. 2019 zum Beispiel sind aus der Koppgasse 42 Unterschriften mit der Bitte um Hilfe gekommen. Auch aus der Bürg, Unterm Rain und anderen Straßen sind schon vor Jahren Anwohner vorstellig geworden. Immer hat man ihnen zunächst erklärt, was alles nicht geht als Maßnahme gegen den Lärm. Die Bürgerversammlung hat gezeigt, dass das Problem immer noch da ist. Jetzt wird zum ersten Mal das versucht, was Anwohner vorschlagen, auch wenn die Verwaltung davon nicht begeistert ist; aber der Stadtrat zieht mehrheitlich mit.
Seit Kurzem mit Berliner Kissen: Grasgasse Landshut. Foto: Stadt Landshut
Peter Stranninger, SPD, hat die Abwehrhaltung der Verwaltung so kommentiert: „In anderen Städten funktionierts, da könnt ich mir vorstellen, in Straubing funktionierts auch“, woraufhin Andreas Fuchs, CSU, seine Wortmeldung sofort zurückzieht: „Hat sich erledigt. Das sehe ich wie der Peter.“ Johannes Spielbauer, Linke, sieht das auch so, und Feride Niedermeier, Grüne, sagt auch: „Lassen Sie uns das in der Fraunhoferstraße einfach ausprobieren.“
Was Werner Schäfer zum Glück aufgefallen ist
Letztlich stimmen nur Bernd Vogel, SPD, Stefan Weckmann, FW, und Franz Schreyer, CSU, gegen die Schwellen. Sogar Peter Mittermeier, CSU, stimmt dafür, obwohl er im Grunde dagegen ist, und seine Begründung für das Dafür im Dagegen ist wirklich gut: „Ma muss amoi was machen, dass ma hinterher sieht, dass es eigentlich ned geht.“ Und vielleicht geht’s ja wirklich nicht, vielleicht ist es wirklich zu laut, zu gefährlich, zu rechtsunsicher, zu irgendwas. Aber dann hat man es wenigstens ausprobiert. Das Problem wäre dann freilich immer noch da.
Wenn es nach dem Plan geht, den die Verwaltung in der Sitzung an die Wand wirft, ist es sogar unter Garantie noch da: Zwei Schwellen hat die Verwaltung zur Probe vorgesehen, aber - ein Schelm, der Böses dabei denkt - die Fraunhoferstraße ist gut 200 Meter lang. Da wäre zwischen den Schwellen viel Platz zum Wieder-aufs-Gas-gehen. Zum Glück ist das dem Ausschussvorsitzenden Werner Schäfer aufgefallen, jetzt werden es hoffentlich doch ein paar mehr als nur zwei. Und jetzt zum Vergleich: In der Bräugasse Deggendorf haben sie vor zwei Jahren auf 180 Metern fünf Bodenschwellen verlegt. Diese hohe Zahl brauche man, hat das dortige Ordnungsamt in der Presse gesagt, „um den Spaß an ‘Beschleunigungstests’ wirksam zu verderben“, und der OB hat erklärt, man werde natürlich die Schwellen „so gestalten, dass die Radfahrer ausweichen können.“
Im Frühling wird es also endlich drei Monate lang einen Versuch geben. Wie er endet, wird man im Sommer dann wissen. Falls er aber so endet, wie die Verwaltung vermutet: Was passiert dann? Sagt man dann wieder, ja mei, da kann man nix machen, weil Fahrbahnverengung, stationäre Blitzer und harte Kontrollen halt leider auch nicht gehen? Oder probiert man aus, was Hermann Solleder vom Behindertenbeirat vorgeschlagen hat? „Den Autoverkehr dort ab 22 Uhr verbieten“, hat er gesagt. Irgend etwas Sinnvolles sollte schon geschehen, Innenstadtwohnen wird sonst nicht unbedingt attraktiver werden, obwohl die Stadt doch erst kürzlich eine Bürgerversammlung zur Innenstadt gemacht hat. Die ist übrigens ganz sicher historisch, die Innenstadt.
Die günstigste Lösung: Etwa 80 Euro eine Schwelle.
