Fleckerlteppich

Es gilt, den Fleckerlteppich zu retten; in den Orkus des Vergessens droht er zu stürzen, und Straubings CSU schubst ihn auch noch: Ausgerechnet die CSU, Lordsiegelbewahrerin bayerischer Eigenart, Hüterin des Föderalismus, Beschützerin Bayerns in Tat, Schrift und Wort, kennt den Fleckerlteppich nicht mehr. Nur noch den „Flickenteppich“ kennt sie, der irgendwie nach Flickwerk klingt, nicht jedoch nach dem schönen Fleckerl Erde, das Bayern doch sein soll.

Dabei hat erst Anfang des Jahres der Fraktionschef der Landtags-CSU versprochen, die CSU werde „nach dem besten Weg suchen, um unsere Heimatsprache zu pflegen“, und die Landtagsfraktion ist schließlich die Herzkammer der CSU. Man werde, hat Fraktionschef Klaus Holetschek gesagt, der Heimatsprache „im Alltag die Wertschätzung schenken, die sie verdient“, und der Markus Söder ist da ja sowieso voll dafür. Und dann sagen die CSUler im Straubinger Stadtrat immerzu: Flickenteppich. So unglaublich norddeutsch. Mitten im Alltag. Wie passt das denn zusammen?

Es war in der Diskussion um den Grünen-Antrag auf eine kommunale Verpackungssteuer. Geht nicht, hat die CSU argumentiert, weil erstens die Staatsregierung ein Gesetz vorbereitet, das den Kommunen so eine Steuer verbietet. Und zweitens: Wenn jede Kommune eine solche Steuer machen tät, dann wäre da ein „Flickenteppich“. Ich hab leider nicht mitgezählt, wie oft genau insgesamt, aber allein der OB hat das zwei Mal gesagt.

Wenn der Charme Süddeutschlands fehlt

Vielleicht sagen Sie, dass das nur ein Haar in der Suppe suchen und “Flickenteppich” völlig legal ist. Okay, aber wenn das nur ein Haar ist: Wieso sagt der Holetschek dann „wichtiges Kulturgut“ dazu? Wäre da nicht wesentlich besser, wenn die hiesige CSU der Staatsregierung bei der kommunalen Verpackungssteuer nicht folgen würde, weil eh kein Mensch weiß, wann das Gesetz überhaupt kommt? Dafür aber bei der Wertschätzung für die Heimatsprache? Leider ist es genau umgekehrt. Bei der kommunalen Verpackungssteuer folgen sie vorauseilend (ja, vorauseilend folgen, das geht), bei der Sprache nicht. Da sagen sie lieber „Flickenteppich“.

Ich glaube, das tun sie, weil sie das ständig in den Nachrichten hören und lesen. Man hört und liest „Flickenteppich“ immer dann, wenn wieder einmal irgendwer föderale Vielfalt abwerten will. Das föderale Schulsystem wird dann „Flickenteppich“ genannt, das Feiertagssystem auch, eigentlich alles, was einem nicht passt: Immer dann, wenn jemand einen Einheitsbrei will, kommt der Flickenteppich zum Einsatz. „Flickenteppich“ passt immer, weil er so unschön ist. Kein Wunder: Ihm fehlen Charme und Schönheit des Südens.

Seine politische Prägung“ , hat die Süddeutsche Zeitung einmal zum „Flickenteppich“ geschrieben, „erhielt der Begriff in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als das von Preußen dominierte Bismarck-Reich die föderale Struktur Deutschlands als ‚buntscheckig‘ abtat - oder eben als ‚Flickenteppich’, also als abschreckendes Gegenstück zur zentralistischen Einheit.“ Und sie schreibt sehr richtig: „Bis heute muss der Teppich als Schmähbegriff für den Föderalismus herhalten.“ 

Ganz unCSUhaft argumentiert

Bitte, ich habe nichts gegen Schmähbegriffe. Ich finde, man muss auch schmähen können, ohne dass gleich der Staatsschutz ermittelt oder die Polizei zum Hausbesuch anrückt. Aber ich finde auch, grad zum Schmähen sollte man seine eigene Sprache benutzen. Eigene Sprache klingt glaubwürdiger, weniger nachgeplappert, vor allem dann, wenn die Parteichefs in Sonntagsreden von Heimatsprache, Identität und Wertschätzung reden. Und wenn unsere Stadtrats-CSU schon der Meinung ist, dass man der Bayerischen Staatsregierung bei der Kommunalsteuer zu Willen sein soll, dann sollte sie ihrer Parteiführung doch auch sprachlich nicht in den Arm fallen.

Aber Dinge ändern sich. Die Stadtrats-CSU argumentiert auch bei einem anderen Thema unerwartet unCSUhaft. Die CSU war ja immer auch die Partei, die an Sanktionierung und härtere Strafen geglaubt hat, während alles, was links von ihr war, härtere Strafen für Teufelszeug hielt. Und jetzt? Jetzt ist das umgekehrt.

Da fordert also Karl Dengler, ÖDP, härtere Bußgelder für Menschen, die Zigaretten, Verpackungen und Flaschen wegschmeißen, und er fordert Bußgelder wie in Frankfurt, wo das 120 Euro kostet. Und was sagt die CSU? Dass es beim Thema Müllvermeidung um Aufklärung und Erziehung geht und dass „in der Erziehung Strafe selten ein guter Weg“ sei. Das haben früher SPD und andere Linke gesagt, heute sagt das die CSU. Ist das nicht erstaunlich?

Bußgeld: Demnächst im Ordnungsausschuss

Immerhin hat sich Straubing seit der Initiative „Das bessere Müllkonzept“ um Aufklärung bemüht, und trotz Aufklärung ist der Unverpackt-Laden gescheitert. Aber wer jemals in Italien mit 120 km/h statt nur 100 erwischt worden ist, wird dort künftig langsamer fahren. Nicht, weil die italienische Pädagogik so überzeugend war, sondern wegen der knallharten Tatsache, dass in Italien der Spaß verdammt teuer ist. Oder, wie Karl Dengler sagt: „Wenn ich erwischt werd, wie ich bei Rot über die Ampel geh, muss ich bezahlen. Da sagen wir nicht ‚machma Verkehrstraining‘.“

Fast alle Parteien haben übrigens „Flickenteppich“ gesagt, aber die sind ja auch keine Lordsiegelbewahrer bayerischer Eigenart. Trotzdem nicht schön. Nur die SPD ist fein raus, die hat gar nix gesagt, und die kommunale Verpackungssteuer hat der Stadtrat mehrheitlich abgelehnt. Was aus Denglers Bußgeldforderung wird, wird man sehen. Der OB hat zugesichert, dass das Thema in den Ordnungsausschuss kommt. Eine Mehrheit ist aber unwahrscheinlich; Bußgelder werden in Straubing aus pädagogischen Gründen ja eher abgelehnt. Dafür glaubt das rot-grün-regierte Frankfurt inzwischen an harte Bußgelder statt an Pädagogik und Aufklärung. Die Welt ist ein seltsamer Ort.

Das war jetzt fast schon ein richtiger Fleckerlteppich an Themen. Vielleicht wissen Sie noch, dass ein Fleckerlteppich ein aus meist bunten Stoffresten gewebter Teppich ist, etwas Nachhaltiges quasi, etwas sehr Gutes. Das Wort selber ist übrigens Hochdeutsch, aber süddeutsches Hochdeutsch, wie die Semmel, der Knödel und selbstverständlich das Fleischpflanzl. Der Fleckerlteppich ist es wert, gerettet zu werden, und sogar Hornbach sagt zu einem Fleckerlteppich derzeit noch: Fleckerlteppich. Aber Hornbach ist ja auch nicht in der Straubinger CSU-Stadtratsfraktion.

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Ampelmantschgerl: Chapeau!

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Unerwartetes Höhenproblem