A bissl narrisch, vielleicht
Schach im Stadtrat: Eule(r) mit Spiel-Bauer. Bild: Perplexity
Manchmal kann man auch Spaß haben im Stadtrat, manchmal menschelt’s dort so. Zum Beispiel, wenn einer dort einen Spruch macht, dann wird’s gleich so bierernst und es wird nach der Mamma geschrien, weil man so schlimm gekränkt worden ist. Das hat durchaus Komik. Nach dieser kleinen Hinführung wissen Sie schon, dass ich einer bin, der dringend sich selbst hinterfragen sollte: Ist die Unterstellung „bierernst“ eigentlich schon eine Beleidigung? Nein? Da hab ich ja Glück gehabt.
Folgendes hat sich zugetragen im Stadtrat zu Straubing: Es ist Montag, kurz nach 17 Uhr. Aufgerufen wird der Tagesordnungspunkt 1: „Errichtung eines Verkaufsstandes für regionalen Frischfisch und Fischspeisen auf dem Stadtplatz; hier: Aufhebung der Ausschreibung.“ Bekanntlich hat sich niemand beworben. Also weg mit der Ausschreibung. Das ist doch logisch.
Nun ist es aber auch so, dass Linken-Stadtrat Johannes Spielbauer ein Ratsbegehren zu einem Bürgerentscheid über diesen Fischstand beantragt hat. Begründet hat er das damals damit, dass ein Fischstand zwar gut und für den Stadtplatz bereichernd sei, er deshalb im Stadtrat dafür gestimmt habe und dies auch bei einem Bürgerentscheid tun werde; dass er aber ansonsten zum Fischstand „nur Stimmen gehört“ habe, „die dagegen gewesen“ seien. Und weil er „nur Stimmen dagegen“ gehört hat: deshalb Bürgerentscheid.
„Er is hoid doch a...(Peep)“
Weil aber der Fischstand nun gar nicht kommen wird, haben alle im Saal gedacht, dass Spielbauer den Antrag zurückziehen werde. Ha! Weit gefehlt! Denn inzwischen hat der Mann, der zuvor „nur Stimmen dagegen“ gehört hat, andere Stimmen gehört. „Als keine Bewerbung eingegangen ist, haben sehr viele traurig reagiert“, sagt Spielbauer jetzt, und der logische Schluss für ihn daraus ist: „Ich werde am Bürgerbegehren festhalten.“ Das hat alle im Saal nun wirklich sehr überrascht.
Es kann ja auch überraschen, wenn jemand einen Bürgerentscheid will, weil er nur Stimmen hört, die gegen den Fischstand sind, und wenn es dann gar keinen Fischstand gibt, trotzdem am Bürgerentscheid festhält, weil er jetzt Stimmen hört, die für diesen Stand sind, der aber gar nicht mehr zur Debatte steht. Um die Dimension dieser Überraschung zu verdeutlichen, ist wohl am besten die Reaktion des SPD-Stadtrats Peter Euler geeignet, Spitzname August: „Du bist hoid doch a Narrischer“, entfährt es Euler spontan. Ab da ist es bierernst geworden.
Johannes Spielbauer, links, Peter „August“ Euler, mittelinks, im Bild aber rechts. Foto: Engel
Der Grund war nicht, dass Euler dieses „Du bist hoid doch a Narrischer“ gesagt hat, ohne dass er das Rederecht gehabt hat. Der Grund war auch nicht, dass er die übliche Startformulierung „Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen“ nicht benutzt hat. Selbst wenn er „Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, er is hoid doch a Narrischer“ gesagt hätte, wäre es bierernst geworden, sogar noch bierernster vielleicht. Aber es war auch so bierernst genug, weil es eine so schlimme und durch wirklich rein gar nichts nachvollziehbare Beleidigung war; gut, nicht ganz so schlimm wie Joschka Fischers „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch“, aber doch auch ganz ungeheuer schlimm.
Bist doch koa Narrischer“
„Herr Oberbürgermeister!“, hat der ÖDP-Stadtrat Hans Jürgen Hahn sich empört, und er hat verlangt, dass der OB solch eine Sprache unterbindet wie bei mir einst die Mamma, wenn ich zur Schwester „blöde Kuh“ gesagt hab; und solch eine Sprache ist ja auch spaltend und den demokratischen Konsens zerstörend und überhaupt allem Bösen Vorschub leistend; ein einfaches „Etz reiß di zamm, August!“ hätte es da niemals getan.
Und auch das Opfer dieser Verbalattacke erklärt, dass er es „nicht akzeptieren“ könne, als „Narrischer“ bezeichnet zu werden: „Des geht einfach ned!“ sagt Spielbauer unter strikter Beachtung des rätlichen Dienstwegs und nach Erhalt des Rederechts, und dazu mutmaßend, dass das der SPD-Stil sei. Das war insofern witzig, als derselbe Spielbauer es stilistisch unproblematisch findet, politische Gegner auf Büchsen zu kleben und wegballern zu lassen.
Aber mit Sensibilität ist es halt so eine Sache. Außerdem war die Balleraktion nicht im Stadtrat, Eulers kurze Verbalballerei aber schon. Da war nun jeder gespannt, ob und wie Peter Euler reagieren würde. Und Euler bittet ums Wort, und er bekommt es: „I bin ned die SPD“, sagt Euler, „i bin da Euler Bäda. Und des hob i gsagt und ned die SPD. De kon da nix dafür. Des is mir so rausgrutscht. I mecht mi entschuldigen, des nimm i zruck.“ Und er wendet sich freundlich Spielbauer zu und spricht versöhnlich: „Bist doch koa Narrischer.“
Damit sollte der Friede wieder hergestellt sein; aber die Grundidee, Bürgerentscheide zu machen zu Themen, die schon komplett durch sind, ist doch fantastisch. Dem Antragsteller bringt sie Publicity, und das ist immer gut. Also warum nicht ein Bürgerentscheid zum Rathaus-Wiederaufbau? Es gibt Stimmen, die dafür sind und Stimmen dagegen, das sind doch beste Voraussetzungen; oder zum Eisstadion, warum nicht?
Nachzutragen ist vielleicht nur noch, dass so ein Bürgerentscheid in einer Stadt von der Größe Straubings Bürgermeister Werner Schäfers Schätzung zufolge gut und gern 100 000 Euro kosten kann. Vielleicht, mit Verlaub, ist ein Bürgerentscheid zu einem Thema, das gar nicht mehr ansteht, doch irgendwie narrisch. Aber halt auch spektakulär.