Abgehängt: ICE-Resolution

Bis Neufahrn geht’s noch, Nürnberg und Plattling auch, dann ist Schluss. Foto: Engel

Montagabend im Stadtrat: Du sitzt als Beobachter da und hörst, wie die Resolution verlesen wird, der der Stadtrat gleich einstimmig zustimmen wird: „Die Stadt Straubing“, ist der Schluss der Resolution, „fordert deshalb die Deutsche Bahn und die zuständigen Stellen des Bundes mit Nachdruck auf, umgehend für den Erhalt der beiden zur Streichung vorgesehenen ICE-Halte Sorge zu tragen sowie mittelfristig weitere Fernverkehrshalte in Straubing zu etablieren.“ Du sitzt da und hörst es mit einer gewissen Ratlosigkeit, und du denkst: Wer im Raum glaubt, dass das auch nur eine Winzigkeit ändert?

Aber was soll die Kommunalpolitik einer Stadt denn sonst tun? Sie ist komplett machtlos in dieser Sache. Aber irgendwie muss sie reagieren auf diesen Affront durch die Bahn. In keiner Stadt kann die Kommunalpolitik Einfluss nehmen auf den Moloch Bahn. „Mit großem Befremden“, meldet schon vor zwei Wochen der Münchner Merkur, hat der Markt Murnau die Nachricht aufgenommen, dass die Deutsche Bahn mit dem kommenden Fahrplanwechsel die ICE-Verbindungen über Murnau nach Garmisch-Partenkirchen ersatzlos streicht.“

Der ICE „Karwendel“ von Berlin hat nämlich schon am vergangenen Samstag zum letzten Mal in Murnau gehalten, der ICE „Wetterstein“ von Hamburg soll mit dem Fahrplanwechsel im Dezember wegfallen. „Diese Entscheidung wurde ohne jede Vorankündigung oder Abstimmung getroffen – die Kommunen wurde in keiner Form eingebunden“, und den Bürgermeister hat die Nachricht über die Presse erreicht. Die hat noch vor der Pressemitteilung der Bahn davon Wind bekommen.

Was macht der Bund?

In ganz Deutschland sind Städte geschockt. Marburg ist eine Universitätsstadt mit 25 000 Studenten. Trotzdem wird ausgedünnt, Marburg verliert ICE-Halte. Kiel verliert, Jena verliert drei von fünf Halten, die Strecke von Stuttgart nach Ostfriesland verliert auch. Die Bahn dünnt aus. Was keinen Gewinn bringt, fliegt raus. „Aus Fahrgastsicht ist das großer Mist, weil die Bahn ja erst vor ein paar Jahren angefangen hat, wieder mehr Züge im Fernverkehr einzusetzen“, sagt ein Funktionär des Pro-Bahn-Landesverbands Niedersachsen-Bremen in der Nordwest-Zeitung, „jetzt stellt man fest, dass sich das wohl doch nicht so rentiert und beginnt, das wieder zurückzudrehen.“ So ist es.

OB Markus Pannnermayr hat Bundesminister Alois Rainer eingeschaltet. Der wird alles versuchen. Alle Städte schalten ihre Leute ein, alle werden alles versuchen. Der Bahn wird es egal sein. Im Berliner Tagesspiegel macht der Vize-Chef des Fahrgastverbandes Pro Bahn die Politik mitverantwortlich. Der Bund müsse als Eigentümer festlegen, „welcher Fernverkehr gewünscht ist und wie dieser finanziert wird.“ Stattdessen rede sich die Bundesregierung damit heraus, dass die staatliche Deutsche Bahn als Aktiengesellschaft das Angebot im Fernverkehr eigenwirtschaftlich betreibe und deshalb allein über das Streckennetz entscheide.

Und weil man heute gern sagt, dass Andreas Scheuer die Bahn kaputtgemacht hat: Der große Zerstörer war ab 1999 Bahnchef Hartmut Mehdorn, und den hat die SPD installiert und vier SPD-Verkehrsminister haben ihn unterstützt. Die Zerstörung der Bahn war ein Gemeinschaftswerk, und vergangenes Jahr hat der Bahnchef 1,4 Millionen Euro verdient, der Personalvorstand hat Presseberichten zufolge 2023 einen Bonus von 256 000 Euro erhalten. Grund: Weil die Bahn ihre Führungspositionen zu 27 Prozent mit Frauen besetzt hat statt nur mit 26 Prozent. Die Bahn macht, was sie will, und sie definiert ihre Ziele, wie es ihre Manager wollen. Solange der Bund nicht die Möglichkeit, die Kraft und den Willen hat, der Bahn klare Ansagen zu machen, wird gar nichts helfen.

Bahncard gekündigt

Ich habe meine Bahncard vor 13 Jahren gekündigt, weil die zweiwöchentlichen Fahrzeiten zu meiner Tochter nach Marburg unkalkulierbar waren. In 50 Prozent der Fälle hatten die tatsächlichen Fahrzeiten nichts mit mit dem Fahrplan zu tun, Hinfahrt okay, Rückfahrt unkalkulierbar, ich schwöre, so war es. Seitdem ist die Pünktlichkeitsrate weiter gesunken. Ich bin umgestiegen aufs Auto. Menschen tun so etwas, wenn sie merken, dass sie viel Geld für eine Leistung bezahlen sollen, die sie letztlich nicht wie versprochen bekommen. So verliert die Bahn Geld.

Dieses Geld holt sie jetzt wieder rein durch den Abbau von Verbindungen, so sehe ich das, und ihr Image ist kann ihr dabei wurscht sein, weil es eh schon zerstört ist. Die Kommunalpolitik ist da chancenlos, solang die Bundespolitik sich das bieten lässt. Vielleicht hat noch am ehesten der Teil der Resolution eine Chance, der auf Vorschlag des Grünen Erhard Grundl den Abschluss bildet:

„Darüber hinaus fordern wir den Verkehrsminister des Freistaats Bayern auf, die bereits mehrfach vorgebrachten Verbesserungen für unsere Region auf den Nahverkehrsstrecken Passau – Regensburg – Nürnberg sowie Neufahrn – Freising – München endlich zeitnah auf den Weg zu bringen.“ Du kannst mit der Bahn ja nicht einmal ins 60 Kilometer entfernte Landshut fahren, ohne irgendwo umzusteigen, in Neufahrn /NdB meist, wo der Bahnhof besonders hoffnungslos ist. Die Resolution ist es auch. Aber was können Kommunalpolitiker denn sonst unternehmen?

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Kurz gefragt: Nail Demir