Im Interview: Simon Wagner
Ludwig der Kelheimer hat den Stadtplatz gebaut, Simon Wagner soll ihn sichern.
Herr Wagner, Sie haben einmal gesagt, so etwas wie eine Karaoke-Bar, das wäre etwas, das wäre auch gut in der Innenstadt.
Simon Wagner: Ja, das sind solche Sachen, die auch attraktiv sind für eine Stadt. Ich glaub auch, dass das Kneipenquiz im Irish Pub jeden Donnerstag eine tolle Sache ist. Und ich glaube auch, dass man auf seine eigene Stadt immer kritischer sieht als andere. Das Maximilian, das jetzt neu aufgemacht hat, oder auch die Bruschetteria, das sind schon Sachen, die man nicht so wertschätzt, wie man sollte.
Nach eineinhalb Jahren als Geschäftsflächenmanager: Wie ist da Ihre bisherige Bilanz?
Wagner: Wir haben einige super Geschäftsleute da, alteingesessene wie Markgraf und junge wie Räuber & Komplizen in der Steinergasse, die einfach zur Stadt stehen. Je mehr ich da reinwachse, desto wichtiger ist mir, dass der Stadtplatz als Treffpunkt bestehen bleibt, dass wir Angebote schaffen, Geschäftsleute halten und ein Angebot ausbauen, das uns einmalig macht. Und ich lad jeden ein, der eine Idee hat und etwas probieren möchte, vielleicht auch nur in Teilzeit, dass er mich anruft. Dann schauen wir, ob man da Leute zusammenbringen und in die Innenstadt holen kann, und wie man die Idee umsetzen kann, damit das finanzielle Risiko nicht zu groß ist.
Eine der Hauptschwierigkeiten ist dabei, dass die Interessen der Hauseigentümer und der Mieter naturgemäß auseinandergehen. In Straubing haben Geschäftshäuser immer eine gute Rendite gebracht, das Mietniveau war hoch. Das ist jetzt sinkend. Hausbesitzer sind aber eher ungern bereit, vom gewohnten Mietniveau wegzugehen.
Wagner: Viele Hausbesitzer haben das schon am Schirm. Aber es stimmt, es ist schon ein Problem. Wenn ein Geschäft neu kommt, sind die Umbaukosten hoch, und Langzeitverträge gibt es so immer weniger. Da muss man viel miteinander sprechen. Das geht gut mit Besitzern, die aus der Stadt sind. Aber wenn Häuser irgendwelchen Fonds gehören, tut man sich natürlich schwerer. Für die ist Straubing nur eine Zahl. Einheimische Eigentümer dagegen haben viel mehr Interesse, dass schnell wieder vermietet wird.
Zur Innenstadt gehören auch die Seitengassen. In Straubing ist jede zweite gekennzeichnet von Leerstand, sie sind unattraktiv. Ich nenn da die Albrechts- und Burggasse. Was ist der Grund aus Ihrer Sicht?
Leben? Gibt’s auch in der Albrechtsgasse, aber nur sehr weit unten.
Wagner: Einerseits ist das schon die Fokussierung auf den Stadtplatz, der grad in Straubing da ist, mit diesem großen Platz –
- Da könnte ich sagen: Landshut, das ist dieselbe städtebauliche Struktur, aber in den Gassen ist trotzdem ein großer Unterschied zu Straubing.
Wagner: Landshut ist natürlich auch größer. Aber im Kern, glaube ich, ist wichtig, die Leute, die etwas machen möchten, zu motivieren, dass sie in diese Gassen reingehen. Zum Beispiel die Albrechtsgasse: die hat sich die letzten Monaten doch sehr gut entwickelt. Da haben wir jetzt einen kleinen Laden, nur 20 Quadratmeter –
- Welcher?
Wagner: Die italienische Bar, Fabrizio de Cesare, da ist etwas Positives entstanden.
„Wir müssen unsere Hausaufgaben machen“
Ein interessantes Beispiel: ein sehr gutgehender Laden, aber da geht man gezielt hin, wenn man ihn schon kennt. Aber wichtig wäre, dass man sagt: Oh, eine schöne Gasse, da schau ich, was da alles drin ist. Das wird man bei der Albrechtsgasse aber niemals machen, wenn man vom Stadtplatz kommt. Man müsste tief in die Gasse hineingehen, um ein Anzeichen von Leben zu finden. Und das liegt vielleicht daran, weil man Fenster zugemauert und Fassaden zerstört hat. Und das ist der eigentliche Unterschied zu Landshut. Dort lebt die alte Hausstruktur mit Fenster, Türen, Licht, Fassaden. Wie bringt man Hausbesitzer dazu, das wieder attraktiv zu machen?
Wagner: Da müssen einerseits wir von der Stadt unsere Hausaufgaben machen. Wir möchten jetzt ansetzen mit Stadtbegrünung, damit der Weg in die Gassen attraktiver wird. Und dann ist wichtig, dass die Eigentümer von sich aus mitgehen und ihre Gebäude entsprechend aufbereiten.
Da bräuchte es einen Rückbau in den Originalzustand, wieder Fenster, wieder Licht, wieder Attraktives fürs Auge, schöne Fassaden.
Wagner: Zum Beispiel.
Wie bringt man Hausbesitzer dazu? Weil da muss man viel Geld in die Hand nehmen für einen Erfolg, den letztlich aber keiner garantieren kann.
Morgens um 10.00 Uhr so leer wie sonst auch: Burg- und Koppgasse.
Wagner: Da müssen wir unsere bestehenden Instrumente weiter bekannt machen, die steuerlichen Vorteilsmöglichkeiten, die wir mit dem „Sanierungsgebiet Innenstadt“ geschaffen haben. Dann haben wir die Initiative Innenstadtprogramm aufgelegt mit Förderungen beim Umbau von leerstandsbedrohten Flächen. Und wir müssen auch ein Wir-Gefühl schaffen, denn die Innenstadt funktioniert nur gemeinsam. Und wichtig wird sein, dass es mit dem Karmelitenkloster als Teil der Uni vorangeht. Weil ich versteh grad in diesem Eck, dass Hausbesitzer sagen, wir warten ab, was da passiert.
Am Stadtplatz selber entsteht im Moment das Gefühl: Endlich versucht die Stadt wirklich was. Noch vor Jahren war Palmen-Verbot am Stadtplatz, Tischerl wie am Stadtturm waren verboten, und wenn ein Wirt einen blauen Sonnenschirm aufgestellt hat, war Krisenalarm. Jetzt geht es um Bäume und Innenstadt-Grün und etwas völlig Neues wie einen Fischstand. Aber ist das genug? Immer wieder hört man: Alles Einzelmaßnahmen, es fehlt ein Gesamtkonzept bis hin zu „Busse raus’?
Wagner: Genug ist eine Grüngestaltung allein natürlich nicht. Aber am Stadtplatz hast du so viele verschiedene Interessensgruppen, dass das wirklich ganz schwierig ist. Aber wir gehen diesen Weg jetzt. Wir haben einen Masterplan Innenstadt vor. Da ist nicht nur die Verwaltung beteiligt, sondern private Eigentümer, Gewerbe und Bürgerbeteiligung. Aber es ist schwierig. Nehmen wir die Busse: Da gibt es die Meinung: Wichtig ist, dass die Busse drinbleiben, und andre sagen: raus. Es ist, glaube ich, auch eine Frage des Zeitpunkts: Vor zehn Jahren wäre eine Diskussion über Bäume am Stadtplatz gar nicht möglich gewesen.
Zum Thema „viele Interessen“: Pontevedra in Nordspanien im Jahr 1999: Bevölkerungsrückgang, Leerstand im Zentrum. Dann sagt der Bürgermeister: komplette Innenstadt zur Fußgängerzone, ohne große Bürgerbeteiligung, einfach gemacht. Erst Proteste der lokalen Geschäftswelt, dann aber 12 000 Menschen dazugewonnen, heute 82 000 Einwohner, kein Leerstand, mehr Touristen. Allseits Zufriedenheit. Wär das bei uns vorstellbar?
Wagner: Man muss das schon erklären. Aber wenn man dazu Unterstützung hätte, wäre das in dieser Klarheit zwar schwierig, aber ein Weg, den man gehen kann. Aber ich glaube, dass wir beim Hitzeschutz in der Innenstadt zumindest in Niederbayern Vorreiter sind. Da prallen ja auch Ansichten aufeinander, die nicht vereinbar sind, und dann muss eine Entscheidung getroffen werden. Und dieses Entscheidungen treffen ist bei uns jetzt auch stärker als noch vor Jahren. In der Verwaltung, aber auch bei den Privaten.
Der kleine Verwaltungstorpedo
Und wie finden Sie es, wenn dann aus einer Verwaltungsabteilung so kleine Torpedos kommen wie: Mikroorganismen aus Bäumen können möglicherweise die Dreifaltigkeitssäule beschädigen, als Argument gegen Bäume?
Wagner: Ich war in der Sitzung dabei, und ich glaub, dass das nur ein kleiner Punkt unter mehreren war, ein Nebensatz –
- Nein, ganz so war’s aus meiner Sicht nicht. Es war ein Punkt unter vielen, die alle gegen die Bäume gesprochen haben, alles schwierig, schwierig, schwierig. Und das Absurdeste in diesem Negativbild waren die Mikroorganismen, die vielleicht gefährlich sind.
Wagner: Letztlich geht es darum, jetzt eine Entscheidung zu treffen. Und ich glaub, jetzt ist der Punkt da, wo man sagen kann: Lasst‘s uns das ausprobieren.
In einer ZDF-Reportage zu den Problemen der Innenstädte war der Satz: „Wo Menschen leben, entstehen Geschäfte.“ Wohnen in der Innenstadt: auch ein Thema für Sie?
Wagner: Ja, und die bestehenden Kapazitäten der Innenstadt zu nutzen, ist nachhaltiger als ein neues Baugebiet auszuweisen. Wir haben da sehr schöne Beispiele, wo Wohnen und Innenstadt Hand in Hand geht, in der Bürg zum Beispiel, oder auch Studenten-WGs, die mit Fahrrad statt Auto unterwegs sind. Das ist genau das, was wir möchten. Wir haben auch sehr hochwertiges Wohnen in der Innenstadt, im Weißgerberviertel zum Beispiel.
Da wär’s doch hilfreich, wenn Einkaufen für den täglichen Bedarf da ist. Und da ist es so, dass wir befürchten müssen, dass ein Rewe im Westpark über kurz oder lang das Aus für den Innenstadt-Rewe im Theresiencenter sein wird.
Wagner: Grundsätzlich kann ich zu Vertragsmodalitäten nicht spekulieren. Der Rewe im Center ist für die Innenstadt sehr wichtig. Ich kann mich nicht dazu äußern, wie das genau werden wird. Ich glaube aber, es ist wichtig, dass wir in diesem Segment etwas in der Innenstadt haben. Und wir haben zum Glück auch die Spezerei und den Wochenmarkt.
Der Markt? „Da haben wir noch Luft nach oben“
Der Wochenmarkt: Ein Argument für den Fischstand war: Der Markt ist uns wichtig, und er wird den Markt stärken. Gleichzeitig macht die Stadt es den letzten Marktleuten schwer: Drei Tage müssen sie ersatzlos weg wegen Bürgerfest, zwei Tage wegen Volksfesttribünen-Aufbau. Fünf Tage Verdienstausfall, kein Ausweichstandort, für Marktleute, die es eh schon schwer haben. Ist das ein guter Zustand?
Wagner: Dieser Markt ist sehr, sehr wichtig für Innenstädte. Darum haben wir im vergangenen Jahr die Marktgebühren auf einem niedrigen Niveau vereinheitlicht, wir haben Kurzzeitparkplätze geschaffen in der Fraunhoferstraße, wir haben die Darstellung auf unserer Website verbessert. Dass wir keine Ausweichfläche haben, finde ich auch sehr schade. Hier wäre ein Ansatz wichtig. Aber der Stadtplatz ist multifunktional, und das führt zu diesen Konflikten. Wichtig ist, dass das frühzeitig kommuniziert wird.
Zum Bürgerfest ist die Information drei Wochen vor Beginn des Bürgerfests gekommen. Ist das frühzeitig?
Wagner: Da haben wir Luft nach oben, da müssen wir dran arbeiten, und auch daran, dass ein Ausweichort gegeben sein muss.
Ähnlich ist es ja auch am Theresienplatz, wo Cortina oder Seethaler während der Dult Geschäft verlieren. Da muss es doch noch eine andere Lösung geben, und wenn es die ist, dass man wie in Pontevedra die gesamte Innenstadt zur Fußgängerzone macht. Dann wären Ausweichflächen da. Wären Sie ein Freund einer solchen Ausweitung?
Wagner: Ich merke in Gesprächen, dass grad diesess Thema einer kompletten Fußgängerzone nicht einhellig ist und manche die Fußgängerzone als solche generell in Frage stellen. Ich glaube aber, dass das schon die Zukunft ist, dass man autofrei in der Innenstadt arbeitet. Inwieweit eine Ausweitung sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen.
Da hab ich eine verwegene Idee: In Santander in Spanien haben sie Rolltreppen in und durch die Stadt. Eine Rolltreppe vom Hagen, kostenlos, wäre ein Alleinstellungsmerkmal für Straubing.
Rolltreppe in die Stadt: Nicht nur in Santander, sondern auch im 160 km entfernten Vitoria-Gasteiz.
Wagner: Also, Alleinstellungsmerkmal, da sind wir völlig beieinander. Diese Verbindung zu schaffen zwischen Hagen und Stadtplatz, da wär ich durchaus ein Freund davon, einen neuen Weg zu gehen. Ob das dann eine Rolltreppe ist oder was anderes, sollen klügere Leute sagen. Aber ein Alleinstellungsmerkmal wäre schon wichtig.
Und das Schöne wär ja: Auf eine Rolltreppe musst du nicht warten wie auf einen Pendelbus. Die rollt ja immer. Und der Pendelbus kostet ja über 100 000 Euro im Jahr. Da wären die Kosten doch nach ein paar Jahren wieder drin.
Wagner: Ich kann das nicht beurteilen, was eine Rolltreppe kostet und wie wartungsanfällig sie ist. Aber es geht schon um Alleinstellungsmerkmale. Ob das dann die Rolltreppe ist oder was anderes? Ich glaub, das Petanque-Feld und die Fontänen vom Wasserspiel sind auch Alleinstellungsmerkmale. Eine Ergänzung in der Mobilität wär da nicht schlecht.
Letzte Frage: Wenn die Fontänen nächstes Jahr da sind und die Tigers werden im April oder Mai Deutscher Meister: Würden Sie unterstützen, dass die Fontänen einen ganzen Sommer lang jeden Abend Blau-Weiß beleuchtet werden?
Wagner: Ja. Und wir stellen uns dazu im Tigers-Trikot!