Semmelspende für den Giggerl

Perfektes Stilleben: Giggerl mit Semmel am Feuerwehrfest in Kagers.

Natürlich war früher nicht alles besser, das ist doch klar, wer das ganze Gfrett mit dem Tipp-Ex noch kennt, weiß, was ich meine. Aber wenn Sie - wie ich im vergangenen Frühling im bis dahin Lieblingswirtshaus im Bayerischen Wald - einen Schweinsbraten bestellen und die Kellnerin Sie fragt, ob Sie Kraut auch dazu möchten, dann werden Sie doch vielleicht sagen, dass früher Einiges besser war.

Die Kellnerin fragt ja extra, weil das Kraut neuerdings extra kostet. Dummerweise hab ich aber keine Lust, für einen Schweinsbraten mit Knödel knapp 17 Euro zu bezahlen und dann noch gefragt zu werden, ob ich auch Kraut dazu will. Wird irgendwann auch die Soße extra kosten wie bei McDonald’s der Ketchup?

Mich hat ein Mann angesprochen. Er sei bereit, 500 Semmeln zu spendieren, an einem Volksfesttag, damit es zumindest 500 Giggerl wieder so gibt, wie’s früher üblich war, nämlich mit Semmel inbegriffen. Eine Semmelspenden-Aktion zugunsten semmelloser Giggerl? Ich war entzückt. Von dieser Spendenbereitschaft habe ich einem anderen Manne erzählt, worauf ein Grinsen auf dessen Gesicht trat und sein Mund Folgendes sprach: „Super Idee, dann spendier i nomoi 500.“ Tausend Semmeln für unsere Giggerl: Wunderbar! Aber so einfach ist es nicht. Denn so wie ein Giggerl zwei Hälften hat, hat eine Idee manchmal zwei Seiten. Aber von vorn:

Straubinger Mehrkosten

Es ist ja so: Ein halber Giggerl am Volksfest kostet um die 13,40 Euro, und die Semmel dazu kostet im Schnitt 1,20 Euro. Das sind 14,60 Euro, für einen Giggerl mit Semmel. Das ist schon stolz. Gut, es ist wenig im Vergleich mit dem Oktoberfest, auf dem der halbe Giggerl um die 17 Euro kostet, und zwar auch semmellos. Aber es ist doch recht viel im Vergleich mit der Frühlingsdult in Landshut, wo der Preis für einen halben Giggerl in diesem Mai 13,20 Euro war, und zwar mit Semmel.

Natürlich hat ein Straubinger Festwirt weit höhere Kosten als ein Landshuter Festwirt. Hätten Sie zum Beispiel gedacht, dass die Platzmiete für ein Zelt in Straubing etwa sieben Mal so hoch ist wie zum Beispiel in Landshut? Ein mittleres Zelt liegt in Straubing bei gut 200 000 Euro, ein großes Zelt über 300 000. Das ist viel Geld. An Security muss ein Straubinger Festwirt auch sehr viel mehr vorhalten als anderswo, das sind wieder zehntausende Euro extra. Woher soll das Geld kommen, wenn nicht von Ihnen und mir?

Und trotzdem: Wenn unsere Festwirte es schaffen, den Schweinsbraten mit Knödel und Kraut auf die Speiskarte zu bringen, sollten sie doch auch einen Giggerl mit Semmel drauf bringen können, damit man den echten Preis auf den ersten Blick sieht. Ich habe deshalb den Sprecher der Straubinger Festwirte kontaktiert, um zunächst zu erfragen, wann eigentlich genau der Straubinger Giggerl semmellos geworden ist.

Ist die Idee also gegessen? Was die Festwirte sagen

Die Antwort von Festwirt Martin Lechner ist überraschend: „I bin etz 28 Jahr‘ am Festplatz“, sagt der Wirtesprecher, „und da war no nie a Semmel dabei. Des woaß i gwieß.“ Kann das denn sein? Ich forsche nach. Und das Ergebnis? Es ist erschütternd.

„Im Heimer-Zelt“, sagt ein äußerst erfahrener Volksfestfreund, „da hat’s des no geben. Aber des ist leicht 40 Jahr‘ her.“ Das bestätigt auch Walter Bauer: „I schätz“, sagt er, „dass ab Ende der 70er Jahre a Semmel scho nimmer dabei war.“ Walter Bauer ist der Sohn vom Bauer Heinerl, dem legendären Gockerlwirt, jahrelang war er am Giggerlstand. Was er sagt, das gilt. Was also tun? Ist diese schöne Spendenaktion zugunsten semmelloser Straubinger Giggerl damit gegessen?

Im Grunde schon, sagt Martin Lechner. Er glaubt: Diese Idee wird keinen Festwirt begeistern. Nach 50 Jahren der Semmellosigkeit ist das Argument „Tradition“ leider keines mehr. „Wir erleben ja außerdem oft“, sagt Festwirt Lechner, „dass manche a Semmel dazukaufen, aber dann doch ned essen. Und ganz viele Leut wollen eh lieber a große Brezn dazu oder an Kartoffelsalat.“

Straubinger Volksfestkarte 1985: Da steht der Giggerl schon semmellos da. Foto: Aus „A Trumm vom Paradies“

Das klingt überzeugend, und sechs Euro für eine große Breze helfen ja auch beim Platzgeld fürs Zelt weiter als ein bisserl Semmelgeld. Aber ich gebe nicht auf. Man könnt’s ja probieren, berede ich den Sprecher der Wirte, es sei ja kein großer Verlust. Und wenn der Versuch scheitert, weil der Giggerlfreund der Semmel entwöhnt ist und Semmeln unverzehrt bleiben, sei das ja nicht schlimm. Weil vor einer übriggebliebenen Semmel liege immer noch eine glückliche Zukunft als Semmelknödel beim Schweinsbraten oder in der Schwammerlbrüh.

So in etwa argumentiere ich, und meine Argumentation ist nahezu brillant. Aber das Äußerste, was ich herausholen kann, ist dies: „Vielleicht im nächsten Jahr, da reden wir noch amal.“ Wäre das nicht schön? Es wäre ein Zeichen.

Vor ein paar Tagen war Feuerwehrfest in Kagers. Es war ein Giggerlstand da: „½ Hendl aus Frischschlachtung mit Semmel.“ Am Tag darauf zeigt mir am Stadtplatz jemand ein Handyfoto, eine Speiskarte vom Plattlinger Volksfest: „1/2 Wiesenhendl (600 g) mit Semmel.“ Natürlich könnte man fragen: Was bringt einen Menschen dazu, aufs Plattlinger Volksfest zu gehen? Aber der Mensch ist frei, wenn er aufs Plattlinger Volksfest will, warum nicht? Tatsache jedenfalls ist: Er war erfreut, dass er in Plattling die Semmel zum Giggerl von Haus aus dazu gekriegt hat.

Plattlinger Volksfest 2025: Zwar mit Semmel, aber sie nennen es Wiesenhendl.

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Oh mei, diese Begründungen

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Im Interview: Simon Wagner