Über Weihnachtsfilme

Es ist Weihnachtsfilmzeit, ist das nicht schön? Und wissen Sie, was mein liebster Weihnachtsfilm ist? Es ist Liebe braucht keine Ferien, mit Cameron Diaz und Jude Law, und mit der Frau, die beinah mit der Titanic untergegangen wär, aber diesmal stirbt ihr Freund nicht. So etwas spielt eine Rolle für mich. Es muss gut ausgehen, immer, sonst mag ich es nicht. Leider war das heuer zu einer ganz blöden Zeit, am gestrigen Sonntag um 9:50 bei RTL, aber man kann das ja aufnehmen. Der Film ist super. Ein echter Weihnachtsfilm halt, und dass ihn der San Francisco Chronicle öde, fad und mopsig und außerdem lächerlich lang genannt hat, ist gemein. Filmkritiker haben von Romantik eh keine Ahnung, einer hat sogar einmal zu Dirty Dancing „kitschig“ gesagt.

Oder zu Stirb langsam zum Beispiel: „Kein Film versprüht mehr Weihnachtsgeist“, hat der Münchner Merkur einmal geschrieben, und das damit begründet, dass der stets „Yippie-ya-yeah, Schweinebacke!“ brummelnde John McClane eine Erlöserfigur sei; und er führt ferner aus, dass McClane, um Menschen zu retten, viel Leid und Schmerz ertrage. Eine interessante, aber auch leicht bizarre Argumentation, finde ich, denn Leid und Schmerz würde ich eher beim Karfreitag verorten, aber doch nicht am Heiligabend um 20.15 Uhr, bei RTL II übrigens.

Aber der Merkur wird schon wissen, was er da schreibt, und Geschmäcker sind halt verschieden. Manche mögen an Weihnachten Kevin, allein zu Haus lieber, quasi die Grundschulversion von Stirb Langsam, weshalb ich glaube, dass Kevin mit Nachnamen gar nicht McCallister heißt, sondern McClane, und zum Glück heuer nur im Bezahlfernsehen. Ich bin eh ein ganz anderer Typ. Ich bin einer aus der Schlaflos in Seattle-Fraktion, mit Tom Hanks und Meg Ryan, ich will unwillkürlich gegen Tränen ankämpfen, mit der Meg Ryan kann man das super, aber leider erst am 29.12. um 20.15 Uhr bei 3Sat. Kennen Sie das? Dieses Schlucken? Weil man so gerührt ist? So einer bin ich. Der romantische Kitsch-Typ halt.

Schicksalsjahre erträgt ein Bub nur mit Rehkitz

Über Leute wie mich sagen die anderen: „Echt? Wegen dem Schmarrn musst du weinen?“ Aber so bin ich halt, und weil ich so bin, hab ich einmal sogar bei der ARD-Zuschauerredaktion angerufen. Ob Sissi heuer wieder kommt, wollte ich wissen. Ich finde das wichtig. Aber heuer kommt Sissi nicht in der ARD, sondern bei RTL. Ich glaube, ich mag Sissi auch deshalb so gerne, weil die Sissi ein Rehkitz gehabt hat: Genau wie ich auch! So etwas ist ein Zeichen, und mit meinem Kitz zusammen hab ich als Bub einmal Sissi, Schicksalsjahre einer Kaiserin nicht angeschaut, das prägt fürs Leben.

Bambi hat unser Rehkitz geheißen, natürlich. Auf unserem Grundstück in einer Holzhütte hat es gelebt. Auf einer Wiese haben wir es gefunden und so lang gestreichelt, bis uns eingefallen ist: „Mein Gott, a Rehkitz wennst streichelst, nimmts sei Mamma ja nimmer!“ Also haben wir‘s mitnehmen müssen zu unserer Mamma. Und es wurde mit der Flasche gesäugt und sehr liebgehabt, denn es war lieb. Zumindest so lange, bis es entdeckt hat, dass es ein Bock ist, der mit seinen Hörnern sehr gern Kinder umstoßen will. Aber davor war es lieb, und es hat mich getröstet beim schwierigen dritten Teil: Sissi, Schicksalsjahre einer Kaiserin.

Schicksalsjahre erträgt ein kleiner Bub nur, wenn er ein Rehkitz hat. Denn da sind ja Stellen, wo unsereiner ins Schlucken kommt, zum Beispiel am Markusplatz: Sie und der Franzl waren davor ja in der Mailänder Scala, wo Dienstboten „Va, pensiero, sull’ali dorate!“ singen, und bloß, um sie zu demütigen. Und dann: Venedig! Am Canal Grande verschließen Menschen die Fenster. Auf dem Gang zum Dogenpalast herrscht eisiges Schweigen. Es ist ein Spießrutenlauf.

…und dann diese Opfer für Haus Habsburg!

„Dieses demonstrative Schweigen ist vernichtender als ein Attentat“, presst der Franzl hervor, man muss sich das vorstellen, ich glaube, nur kleine Buben und die Bärbel Bas können das; und der Franzl sagt, dass er ihr diesen Gang gern erspart hätt. Aber die Sissi sagt wörtlich: „Mach Dir um mich keine Sorgen, Franz. Der Weg nach Madeira war schmerzlicher, und ich bin ihn gern gegangen. Für Dich!“ Ist das nicht schön?

Denn 38 Minuten zuvor hat die Sissi ja versehentlich mitgehört, dass sie so lungenkrank ist und ihr Kind nicht mehr sehen darf und sofort nach Madeira und Korfu muss, obwohl sie wahrscheinlich eh stirbt; und die Erzherzogin Sophie hat zum Franzl gesagt, dass er sich schon um eine neue Frau schauen soll und ihm befohlen: „Du hast kein Recht, an Dich zu denken! Vergiss nicht, was ich für Opfer gebracht hab für das Haus Habsburg!“ Es war so traurig. Kein kleiner Bub hält das aus.

Da bin ich hinein in die kleine Hütte zum Bambi mit seinen rehbraunen Augen, und mit diesen Augen hat er mich angeschaut, als wollte er sagen: „Ja, kleiner Bub, ich versteh dich; ich weiß wie das ist, wenn Mama und Kitz getrennt werden; aber ich mach dir keinen Vorwurf.“ Und er hat sich streicheln lassen von einem traurigen Neunjährigen, dem das Schicksal einer jungen Kaiserin, die ständig Kriege und Rebellionen in Italien und Ungarn verhindert hat, und die jetzt ihr Kind nicht mehr sehen darf, weil sie so krank ist: weil das dem kleinen Buben so nah gegangen ist, dass er unbedingt in rehbraune Augen hat blicken müssen, um nicht zu weinen.

Schon wieder einen Weltkrieg verhindert

Kleine Rehböcke helfen gegen das Weinen, das weiß ich aus Sissi. Da hat die Sissi auch einen Rehbock gehabt, der klein und noch hörnerlos war, und sein Name war Xaverl. Und kurz, bevor sie aufs Schiff muss zur Fahrt in den Goldenen Käfig der Erzherzogin Sophie, geht sie ein letztes Mal zum Xaverl und lässt ihn frei. „Komm Xaverl“, sagt sie, „und geh in den Wald! Und wenn du groß bist, dann geh dem Papi aus dem Weg!“, weil der war ja auch Jäger. Und dann läuft ihnen am Markusplatz ihre kleine Tochter entgegen, und die Sissi ruft: „Da ist ja unser Kind!“, und sie pfeift auf das Protokoll und läuft auch, und die eisigen Venezianer schauen erstaunt und beginnen zu tauen, und die Sissi läuft weiter und dann herzt und kost sie unser Kind, bis einer „Eviva la Mamma!“ schreit, und dann jubeln alle: Schon wieder einen Weltkrieg verhindert. Ja, das ist Sissi.

Bei Weihnachtsfilme.de hat Sissi fünf (!) Weihnachtsmützen bekommen, dazu den „Must watch!“-Vermerk, und mit Recht. Denn obwohl Weihnachten gar nicht drin vorkommt, ist es der schönste Weihnachtsfilm, den ich kenne, nur Ist das Leben nicht schön? kommt da mit, mit Donna Reed und James Stewart, und Schlaflos in Seattle natürlich, und Liebe braucht keine Ferien, logo, ganz klar. Aber sonst keiner, und Tatsächlich... Liebe finde ich überschätzt. Fragen Sie nicht, warum das so ist, aber so ist es. Es kommt aber trotzdem, am Dienstag, 20.15 Uhr, Kabel 1.

Man kann alles natürlich auch jederzeit auf Netflix anschauen oder Amazon Prime. Aber Fernsehen ist besser. Es ist ein anderes Gefühl, dieses „Hey, ab vor den Fernseher, gleich geht die Sissi los!“-Gefühl. Heuer übrigens am Heiligabend, um 20.15 Uhr, RTL, aber wer hat da schon Zeit. Und Ist das Leben nicht schön? war schon, am Samstag im SWR; da hat der EZ2-Engel (Engel zweiter Klasse) Clarence sich wieder seine Flügel verdient, weil er dem James Stewart an Heiligabend wieder einen Selbstmord ausgeredet hat. „Immer, wenn du eine Glocke hörst“, hat der Clarence wieder gesagt, „kriegt ein Engel grad seine Flügel“ und am Ende hat für ihn auch wieder eine geklingelt, und das Leben war wieder schön.

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Frohe Weihnachten!

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