Weinrotes Welterbe

Im Herzen des Welterbes. Foto: coffeenewstomblog.com

Zurück in die wunderbare Welt der grauen Schirme: Was ist die rechtliche Grundlage für das Grauschirm-Gebot auf dem Stadtplatz? Am vergangenen Dienstag, zwei Wochen nach seiner ersten Anfrage, hat Stadtrat Johannes Spielbauer, Linke, vom Ordnungsamt Antwort erhalten. Es ist exakt die Antwort, die zu erwarten war:

„Sehr geehrter Herr Stadtrat Spielbauer,

die Vorgaben zur Größe der Schirme resultieren aus einem Stadtratsbeschluss vom 17.11.2014. Die Vorgaben zur Farbgebung aus einem einstimmigen Beschluss des Ordnungsausschusses vom 07.02.2017. Diesem Beschluss ist die Bearbeitung des Themas in einer Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Stadtratsfraktionen sowie der zuständigen Fachämter vorausgegangen.“

Diese Arbeitsgruppe hatte, wie kürzlich beschrieben, am 11. 11.2016 erstmals und am 27.01.2017 letztmals getagt. Spötter in ihrem Umfeld hatten sie damals „die Geschmacksbrigade“ genannt; ich glaube, mit Recht: Beschlossen wurden nämlich Regelungen, die hauptsächlich den Geschmack des damals noch strenger als heute agierenden Straubinger Denkmalschutzes spiegelten, und der wollte möglichst viel Grau. Die Politik ist da mitgegangen. Seitdem ist der Stadtplatz eine beschirmte Grauzone.

Aber die Politik ist ohne Not mit. In vielen Städten geht die Politik bei solchen Regeln ohne Not mit. Die Pressestelle der Stadt kann deshalb schreiben: „Ein vergleichbares Vorgehen mit entsprechenden Vorgaben findet sich im Übrigen auch in anderen bayerischen Städten wie Landshut oder Nürnberg.“ Das ist absolut richtig. Vergleichbare Vorgaben gibt es in vielen Städten. Aber eben nicht in allen.

Wie wertvoll ist Regensburg?

Gut 40 Kilometer flussaufwärts zum Beispiel finden wir das aus Denkmalschutzsicht sicherlich auch nicht ganz wertlose Regensburg. Gemeinhin wird der dortige Denkmal-Wert sogar noch etwas höher als der Wert Straubings eingeschätzt. Vermutlich ist das der Grund, warum Regensburg UNESCO-Welterbe-Stadt ist und Straubing nicht. In dieser Welterbe-Stadt liegt unmittelbar neben dem Alten Rathaus das Café Prinzess. An diesem Café ist eine Tafel angebracht, und auf dieser Tafel steht: „1686 wurde in Regensburg Deutschlands erstes Café-Haus eröffnet.“ Und die Sonnenschirme dort? Sie sind festinstalliert, und sie sind weinrot, und sogar mit Aufdruck!

Wenn das älteste Kaffeehaus Deutschlands solche Schirme haben kann, in einer Altstadt, die UNESCO-Welterbe ist: Bitte, warum dann Straubing nicht? Und dann ist da auch noch München mit Farbe am Schirm, es ist unglaublich. Es gibt keinen Grund für eine Grauzone am Stadtplatz. Grau-Weiß-Beige ist nicht mehr als eine willkürliche Empfehlung der damaligen Geschmacksbrigade, ein Ausschuss hat diese Empfehlung in eine Satzung gegossen, ein Amt muss sie umsetzen und sich selbst ein Image als Grauschädel verpassen. Wie sinnvoll ist das?

Marienplatz München, denkmalgeschützt. Foto: https://www.muenchen.citysam.de/

„Rein rechtlich“, sagt deshalb Johannes Spielbauer, „ist das Vorgehen in Ordnung. Farbe und Größe der Schirme wurden in den Auflagen festgelegt.“ Dann kommt Spielbauers entscheidender Satz: „Eine rechtliche Notwendigkeit dazu besteht aber nicht.“ Das bedeutet: Stadtrat und Ordnungsausschuss können diese Vorgaben jederzeit ändern.

“Antrag im Ordnungsausschuss”

„Man hätte auch reinschreiben können, die Schirme müssen dreieckig sein, pink und mit blauen Punkten“, sagt Spielbauer deshalb, „das ist einfach Geschmacksache.“ Aber es müsste nicht pink mit blauen Punkten werden. Nicht alles, was möglich ist, muss erlaubt werden. Doch etwas farbiger könnte es werden. Eine maßvolle Erweiterung des Farbspektrums wäre leicht möglich. „Das lässt sich dann recht einfach ändern“, erklärt Spielbauer, und weiter: „Dazu werde ich demnächst dann auch einen Antrag an den Ordnungsausschuss senden.“

Damit wird’s spannend. Auf dieser Website haben kürzlich die Chefs aller Fraktionen Bereitschaft zur Neufassung erklärt. Aber Spielbauer ist der bisher einzige, der tatsächlich handelt. Wenn er der einzige Handelnde bleibt, hat er einen Trumpf in der Hand: Entweder sein Antrag geht durch, dann hat er einen Erfolg. Oder eine Mehrheit lehnt ab. Dafür gäbe es in der Stadt wohl wenig Verständnis. Die Stadtratsfraktionen werden deshalb auch handeln müssen.

Und wenn sie schon dabei sind, sollten sie auch den Passus mit dem Bank-Verbot aufheben: Die Stammtisch-Bank vor dem Gäubodenhof und die Seethaler-Bänke sind den damals beschlossenen Auflagen zufolge ja auch nicht genehmigungsfähig, und das versteht auch kein Mensch. 2014 hat der Stadtrat übrigens das bis dahin gültige Palmen-Verbot auf dem Stadtplatz aufgehoben. So etwas geht, wenn man will.

Links Gastronomie-Bank, rechts städtisch: Welche Bank darf’s denn sein? Foto: Engel

Und kennen Sie noch die Fehlfarben? Diese großartige Band aus den 80ern? Grauschleier

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Straubinger Abwehrverhalten