Das Herz dieser Stadt
Gut fürs Kleinklima. Bild: MKS
Falls durch die Baumarkt-Crash-Story der Eindruck entstanden sein sollte, dass im Straubinger Rathaus nur falsche Dinge passieren: So ist es nicht. Im Bauausschuss hat die Verwaltung am Mittwoch einen sehr guten Plan vorgestellt: Bäume am Stadtplatz.
Erinnern Sie sich an den Artikel auf dieser Seite mit dem KI-generierten Bild mit jeweils zwei Baumreihen auf den Stadtplätzen? Jetzt hat die Verwaltung selbst entsprechende Bilder präsentiert. Idee und Bilder waren damals schon in Arbeit, aber die PR-Abteilung der Stadt hat auf eine entsprechende Anfrage den Plan geheim gehalten. Gute Arbeit machen sie eben heimlich.
Es sind etliche Bilder und Ideen, die Matthias Bardas vom Planungsbüro MKS dem Ausschuss präsentiert. „Da geht einem das Herz auf“, kommentiert Grünen-Fraktionschefin Feride Niedermeier später, „jeder Baum eine Bereicherung.“ Da hat sie Recht.
Diese Bilder zeigen maßstabsgetreu, wie groß diese Bäume werden, wie gut sie passen, wie sie im Zusammenspiel mit den Fassaden wirken. In ihrem Schatten wird es im Hochsommer kühler sein als unter einem Sonnenschirm. Wenn um sie herum der Boden entsiegelt wird durch eine wassergebundene Decke, wird zusätzlich eine höhere Verdunstungskühlung entstehen. Die Aufenthaltsqualität am Stadtplatz wird steigen. Das ist sehr gut.
Im Widerstand: Der Denkmalschutz
Das Herz geht deshalb auch anderen auf. „Wir wollen ja auch leben in unserer Stadt“, beginnt Hannelore Christ, CSU, ihr Statement, und sie erzählt eine Beobachtung an einem sonnigen Tag kürzlich am Stadtplatz: „Mir ist klargeworden“, sagt sie, „die Menschen wollen sich hinsetzen ohne konsumieren, Schatten haben, genießen. Und deshalb bin ich für diese Bäume.“ Da hat sie Recht.
Damit ist die Chance da, dass es schon bald zu einer Anpassung auf dem Stadtplatz auf die Anforderungen der Zeit kommt. Aber es gibt auch Widerstand. Es ist der Denkmalschutz.
Gut: Kaffeestand unter Bäumen. Bild: MKS
Noch vor einigen Jahren ist jeder Gedanke an Bäume am Stadtplatz abgetan worden mit dem Verweis auf den Denkmalschutz. Der Widerstand ist kleiner geworden, aber noch da. Das zeigt das Statement von Straubings Denkmalschützer Thomas Rothamer. „Es geht um unsere gute Stube“, beginnt dieses Statement, „es geht um ein Ensemble aus Raum, Gebäuden, Abmessungen“, es klingt, als ob all dieses bedroht sei. „Albrecht I. hat im 14. Jahrhundert angeordnet, die Stadt mit Pflaster zu belegen“, sagt Rothamer, „noch vor Landshut und München“, und er sagt: „Das muss man wissen.“
Dass diese Plätze als Marktplatz angelegt worden sind, erklärt Rothamer dem Ausschuss, und dass man nicht weiß, was passiert, wenn ein Baum nah an der Dreifaltigkeitssäule umfallen würde. Und dass überhaupt nicht klar ist, ob nicht vielleicht Mikro-Organismen von einem Baum auf die Säule springen und dort Schaden anrichten können. „Die Breite des Platzes, die Häuser, die Fassaden“, sagt der Denkmalschützer, „das ist ja alles wohlproportioniert.“ Da hat er auch Recht. Aber es klingt auch so irgendwie abwehrend, so unwillig, unbereit.
Marktfunktion? Gibt’s die noch?
Denn all das ist ja gar nicht in Gefahr. Diese Fassaden sind durch den Schaufensterwahn der 60er und 70er Jahre zerstört, nicht durch Bäume. Bäume sind deutlich leichter rückbaubar als diese Schaufenster, und wenn Baum und Fassade in einer bestimmten Relation sind, gewinnt die Fassade sogar. Bei einem Schaufenster lässt sich das nicht behaupten.
Einziges Problem am künftigen Fischstand: Die Sonne kommt von vorn. Bild: MKS
Aber die Markt-Funktion, von der Rothamer sagt, dass unsere Vorfahren deswegen diese Plätze gebaut haben? Bitteschön, welche Märkte? Der Arnmarkt? Gibt‘s seit Jahrzehnten nicht mehr. Den Roßmarkt gibt’s auch nicht mehr, und überhaupt fährt heute kein Mensch mehr mit dem Gäuwagerl in die Stadt wie zur Zeit der Altvorderen.
“Interessant, beide Seiten zu hören”, sagt Ernst Binner, CSU, und überlegt, ob der Zwiespalt zwischen Baum und Denkmal durch einen Bürgerentscheid aufgelöst werden sollte. Mit Blick auf zum Beispiel die stadträtliche Fehlentscheidung zum BayWa-Baumarkt, die eine Stunde zuvor in der selben Sitzung offenbar geworden ist, kann man durchaus sagen: Jawoll, da hat er Recht. Andererseits ist doch kein Stadtrat gehindert, wirklich selber ernsthaft zu überlegen, was richtig ist und was nicht. Dafür ist er ja schließlich gewählt, und dazu ein Tipp:
Vielleicht ein brauchbarer Tipp?
Unsere Stadtplätze haben und brauchen heute andere Funktionen als damals unter Albrecht I. im 14. Jahrhundert. Handel findet online statt, Eis essen, Kaffetrinken und Leben genießen noch nicht. Das ist es, was heute gilt. Für Dult, Christkindlmarkt, Schranne und Eiszauber wird aber immer noch Platz sein. Wenn Denkmalschutz komplette Veränderungsunwilligkeit durch Beharren auf Originalzustände heißt, dann weg mit der Fußgängerzone, lasst uns den Stadtplatz wieder zur Hauptdurchfahrtsstraße nach Passau und Regensburg machen.
„Wir brauchen Antworten auf die Fragen der Zeit“, sagt der OB in seinem Statement, „wir machen nix kaputt, und es gibt auch künftig noch Blickbeziehungen.“ Und dann wagt der OB einen fast visionären Blick in die Zukunft: „Bäume“, sagt er, „werden eines Tages dazugehören und als integraler Bestandteil empfunden.“ Da hat der OB Recht.
Und weil in diesem Artikel hinter jeder erwähnten Person steht dass sie da Recht hat, will ich auch etwas Richtiges sagen: Unsere Vorfahren wollten zuallererst eine Stadt, in der man gut leben kann, und Bäume erhalten das Herz dieser Stadt lebenswert. Deshalb mein Wort zum Denkmalschutz: ein lebenswerter Stadtplatz ist mir sehr viel lieber als das schönste unbesuchte Fassadenmuseum. Ich finde, da hab ich doch Recht.